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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres
Autoren: Angie Frazier
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eigenen.
    »Bist du das, Camille?«
    William Rowen kam aus dem Arbeitszimmer und steckte die Daumen in die Taschen seiner Seidenweste, deren Perlmuttknöpfe ständig in Gefahr schwebten, von seiner Leibesfülle abgesprengt zu werden.
    »Und, wie war es auf dem Markt?«, fragte er. Ihr Vater beobachtete sie erheitert, während sie ihre jadegrünen Augen aufriss und erblasste.
    »Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst, Vater.« Seine Vorhänge waren zugezogen gewesen! Woher wusste er es?
    »Camille, ich überwache an Bord meines Schiffs zu jeder Stunde des Tages zwanzig Männer. Ich denke, ich bin in der Lage, meine siebzehnjährige Tochter im Auge zu behalten.« Er schüttelte den Kopf und wandte sich ab. »Komm herein. Wir frühstücken heute Morgen im Arbeitszimmer.«
    Ein gemeinsames Frühstück in seinem Arbeitszimmer statt im förmlichen Esszimmer war vor jeder Seereise zu einer Gewohnheit geworden. Vielleicht in Vorbereitung auf den Mangel an guten Mahlzeiten auf See. Was sie überraschte, war der Umstand, dass ihr Vater ihre heimlichen morgendlichen Ausflüge so selbstverständlich akzeptierte. Sie kam sich lächerlich vor, dass sie sich solche Mühe gegeben hatte, ihn zu täuschen.
    Die Schiebetüren zum Arbeitszimmer quietschten, als sie sie bis auf einen Spalt zusammenschob, durch den der Duft des üppigen Frühstücks aus der Küche hereindrang. Sie konnte Juanita am Herd summen hören, während sie Pfannkuchen, Eier, Schinken, Toast, Hackfleisch und Melone auf die Teller häufte. Wann immer sie in See stachen, hatte Juanita sich angewöhnt, Camille und ihren Vater mit so viel Essen zu mästen, wie in ihre Bäuche passte, als könne ihr Mahl sie während der ganzen Reise sättigen. Camille liebte diese kleinen Traditionen, und ihre Brust und ihr Magen schnürten sich zusammen in dem Wissen, dass sie zum letzten Mal stattfanden.
    Sie ging zu ihrem Lieblingsplatz, einer übergroßen gesteppten Lederchaiselongue, und ließ sich auf deren festen Polstern nieder. Ihr Vater setzte sich ihr gegenüber auf die Couch. Auf den Kissen verstreut lagen die Seiten der Tageszeitung von San Francisco, der Alta California. Ihr Vater griff nach einer losen Seite und schnitt eine Grimasse. Er brauchte keine Brille. Sie fragte sich, warum er ein solches Gesicht machte.
    »Macht es dich nervös, in diesem Nebel auszulaufen?«, fragte sie.
    Er runzelte die Stirn und tat ihre Frage mit einem Rollen seiner Schultern ab, als lockere er sie nach einem langen Schachspiel. »Nicht im Mindesten. Ich bin durch Nebel gesegelt, der undurchdringlicher war als Stuart McGreenerys Dickkopf.«
    Er verzog den Mund zu einem Lächeln, aber das Lächeln erreichte weder seine smaragdgrünen Augen noch legte es – wie gewöhnlich – die Haut um seine Schläfen in Falten. Vielleicht trübte auch ihm die Endgültigkeit ihrer letzten Seereise die Stimmung. Sie hoffte es zumindest.
    »Hast du in letzter Zeit etwas von McGreenery gehört?«, fragte sie und hoffte, dass es nicht so wäre. Die Erwähnung Stuart McGreenerys verdarb ihm stets die Laune. Der geschäftliche Rivale ihres Vaters führte von Los Angeles aus eine ständig wachsende Flotte von Handelsschiffen und fuhr auf einem davon selbst, einer Brigg namens Tarnkappe, so wie ihr Vater die Christina mit Heimathafen San Francisco segelte. Die beiden Männer wetteiferten, seit sie denken konnte, um den Besitz der größten Reederei in Kalifornien, und ständig versuchten sie, einander zu übertreffen. Alles ziemlich jungenhaft und unreif.
    Ihr Vater warf die Zeitung beiseite. »Nichts über ihn persönlich«, antwortete er schnell.
    Camille beugte sich vor und schenkte sich eine Tasse Tee aus der Kanne ein, die vor ihnen auf dem Tisch stand. Sie klopfte mit den Fingernägeln gegen die Teetasse, während sie auf die dampfende Oberfläche blies und die Uhr in der Halle zur vollen Stunde schlug. Die Schläge klangen ein wenig melancholischer als noch vor einer Stunde.
    »Mir scheint, du bist wegen irgendetwas nervös, Camille.« Ihr Vater lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Sie ließ den Kopf sinken, denn es war ihr verhasst, dass sie so durchschaubar war.
    Er wartete auf eine Antwort. Natürlich machte sie etwas nervös, aber wenn sie es aussprach, würde sie sich so anhören, als wollte sie nicht heiraten. Und sie wollte. Sie dachte, dass sie es wollte. Sie beugte sich auf ihrem Stuhl vor.
    »Wie wäre es, wenn Randall segeln wollte? Er würde einen guten Kapitän abgeben,
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