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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres
Autoren: Angie Frazier
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er. Camille legte die Stirn in Falten, sie hätte es nicht als Bekanntschaft bezeichnet. Sie half Juanita jeden September, ein Geburtstagsessen für Oscar zu kochen, und Oscar hatte sie einmal ohne den geringsten Anlass mit einer kunstvollen Schnitzerei überrascht, die er aus dem Zahn eines Hais gefertigt hatte. Bekannte taten solche Dinge nicht.
    Aber andererseits hätte Camille es auch nicht als Freundschaft bezeichnet. Freunde saßen nicht in peinlichem Schweigen da, wenn sie sich unerwartet miteinander allein in einem Raum befanden. Camille betrachtete sich selbst und Oscar als irgendwo dazwischen, als gingen sie beide in dieselbe Richtung und würden sich vielleicht irgendwann irgendwo treffen und plötzlich anfangen, zu lachen und sich miteinander wohlzufühlen.
    »Allerdings«, fuhr ihr Vater fort, während er mehrere Scheiben Ei auf seine Gabel spießte, »wäre es nach deiner Hochzeit ungehörig, Bekanntschaften mit anderen Männern aufrechtzuhalten, und sei es auch nur mit Oscar. Das ist dir natürlich bewusst? Deine einzige Pflicht, dein ganzes Streben gilt deiner Ehe. Du darfst dir keine … Ablenkungen … gestatten.« Er sprach das Wort leise aus, als könne es als Blasphemie gewertet werden.
    Camille fiel das Hackfleisch von der Gabel und der silberne Griff entglitt ihren plötzlich verschwitzten Fingern.
    »Oh, na … natürlich. Ja, das ist mir bewusst.« Hitze stieg ihr ins Gesicht. Oscar war ihre geheime Ablenkung gewesen. Oder zumindest hatte sie das geglaubt.
    »Ja, natürlich ist es das«, sagte ihr Vater. Er ließ einen letzten Schinkenstreifen auf seinem Teller zurück und stülpte die silberne Haube wieder darüber. »Nun denn, beende dein Frühstück, und ich werde dich in einer Stunde am Kai treffen.«
    Er küsste sie auf die Stirn, bevor er die Schiebetüren aufstieß und in die Halle verschwand. Camille saß reglos da. Also verbannte ihr Vater sie jetzt nicht nur vom Meer, sondern aus der gesamten männlichen kalifornischen Gesellschaft obendrein? Als Nächstes würde er ihr sagen, sie solle sich beeilen, ihre Sachen packen und zusehen, dass sie auszog. Das war wohl das Ende des Lebens, wie sie es kannte.
    Camille, die den Appetit verloren hatte, stand auf und warf einen letzten Blick auf das Porträt ihrer Mutter. Sie konnte nicht begreifen, dass ihre Mutter das Meer nicht geliebt hatte. Aber es war nicht das Meer, das Camille am meisten vermissen würde. Das Band, das wirklich zählte – das zwischen ihr und ihrem Vater –, war bereits schwächer geworden. Es schien, als könne sie nur noch am Ufer stehen und zusehen, wie er davonsegelte.

Kapitel 2

    Die Christina lag vertäut am California-Kai, der Rumpf der gewaltigen dunkelblauen Dreimastbark frisch mit Kupfer beschlagen. Ihr Vater hatte für den Bau hochwertige Weißeiche verwendet und für die Deckbeplankung bodenständige helle Kiefer. Der Namenszug des Schiffs war in tiefem, vollem Rot in die Steuerbordseite des Rumpfs geschnitzt worden. Camille hatte sich jede Ecke und jeden Winkel des Schiffs genauso gut eingeprägt wie die kunstvollen Pinselstriche des Porträts ihrer Mutter.
    Der Nebel lichtete sich etwas, begann sich zu heben und nahm ihre Sorgen mit sich fort. Sie stand am Ende des Kais, inmitten des Trubels. Sie hob den Saum ihres kornblumenblauen Seidenkleides und machte sich auf den Weg in Richtung Laufplanke. Überall um sie herum schleppten Hafenarbeiter Kisten und Tauwerke zu einer großen Brigg, die der Christina gegenüber am Kai lag . Obwohl es ein kühler Februarmorgen war, roch sie den Schweiß der Arbeiter, wenn sie vorbeieilten. Eingekeilt zwischen den beiden Schiffen fühlte Camille sich so geborgen wie ein Kind in den Armen seiner Mutter.
    Sie folgte den beiden Seeleuten, die ihren Koffer trugen, die Laufplanke hinauf. Als sie das obere Ende erreichte, streckte sich ihr über die Reling eine Hand entgegen. Sie schaute auf und sah, dass Oscar auf sie wartete.
    »Guten Morgen, Camille.« Er sprach leise und ruhig, als wolle er nur von ihr gehört werden.
    Sie umfasste vorsichtig seine Hand und seine raue rissige Haut schloss sich um ihre. Wie viele Male hatten sie sich im Laufe der letzten vier Jahre berührt? Nicht viele, aber sie war sich sicher, dass sie sich an jedes einzelne Mal deutlich erinnern konnte. Seine Berührung hinterließ stets ein prickelndes Gefühl auf ihrer Haut, das schwer abzuschütteln war. Und schwer zu vergessen.
    »Oscar, ich dachte, du würdest auf dieser Reise nicht mitkommen«,
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