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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie
Autoren: Kaye Dobbie
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Scharlachton empor, wenn der Wind hineinfuhr. Der Wind war es auch, der ihr Rauch ins Gesicht wehte, sodass sie husten musste und ihr die Augen brannten.
    »Gehören die Ihnen?«
    Seine Stimme schreckte sie auf. Sie blinzelte, versuchte, genau hinzusehen, und stellte fest, dass es sich bei den Gegenständen, die Adam ihr hinhielt, um ein Paar Schuhe handelte.
    »Ich weiß nicht«, flüsterte sie. »Wo haben Sie die her?«
    »Harvey hat sie auf der Straße gefunden«, erklärte er ihr mit ruhiger Stimme. »Wahrscheinlich haben Sie sie verloren – Sie oder ein anderer.«
    »Ich erinnere mich nicht«, gab sie schließlich zu. »Ich habe alles vergessen.«
    Er starrte sie entgeistert an. »Meinen Sie … wirklich alles?«
    »Ja. Ich kenne nicht einmal meinen Namen.« Das Pochen in ihrem Schädel steigerte sich, sodass sie fest die Augen zukneifen musste, um es zu lindern.
    »Nicht einmal Ihren Namen«, wiederholte er leise. »Hier, probieren Sie sie an«, forderte er sie freundlich auf, kniete sich vor sie und steckte einen Fuß in den Schuh. Er passte so ausgezeichnet, wie es nur ein alter Schuh kann, dessen Leder sich dem Fuß der Trägerin angeglichen hat, bis er beinahe zur zweiten Haut wird.
    »Dann sind es wirklich meine.« Ihre Stimme klang fremd und hoch wie die eines Kindes.
    Der Mann musterte sie, und plötzlich funkelten seine Augen belustigt. »Wir können Sie ja Cinderella nennen.«
    Verdattert sah sie ihn an. Sein Gesicht begann langsam, sich zu drehen. Im nächsten Moment stellte sie fest, dass die ganze Welt um sie herumwirbelte. Sie trudelte auf den dunklen Wald zu, von dem sie an der Lagune geträumt hatte. Nun war sie zwischen den hohen Stämmen. Der Mond schwebte über ihr, und der Duft von Nadelholz erfüllte ihren Kopf.
    Und dann war da gar nichts mehr.
    Ihre Finger bewegten sich, zuckten und tasteten. Nur, dass sie diesmal auf Stoff trafen, nicht auf Schlamm. Der Stoff war warm und weich und bedeckte sie von Kopf bis Fuß, dass sie nicht fror. Außerdem stieg ihr nicht der Gestank faulender Pflanzen in die Nase, sondern Rauch, der sich in ihrer Kehle fing und Hustenreiz auslöste. Er überdeckte all die anderen fremden Gerüche nach Erde, Busch und Hund.
    Als sie die Augen aufschlug, stellte sie fest, dass sie auf einer Decke lag. Eine zweite Decke war über sie gebreitet, und das Feuer neben ihr war heruntergebrannt. Wolf hatte sich an sie gekuschelt. Mit seinem derben grauen Fell sah er seinem Namenspatron ausgesprochen ähnlich. Sie tätschelte sanft seinen Kopf, worauf er ein braunes Auge öffnete und sie schlaftrunken und zufrieden anblickte.
    Am Zustand des Feuers und der Stille erkannte sie, dass es schon sehr spät war. Die Luft außerhalb ihres gemütlichen Nachtlagers schien eiskalt zu sein. Sie bewegte sich, um ihre verkrampften Muskeln zu lockern. Ihr Kopf fühlte sich anders an, und als sie nachtastete, stellte sie fest, dass ihre Wunde gereinigt und provisorisch verbunden worden war.
    »Haben Sie Durst?«
    Die Stimme klang nicht vertraut. Als sie den Kopf wandte, meldeten sich die pochenden Schmerzen zurück. Er befand sich wenige Meter von ihr entfernt – eine halb aufgerichtete schattenhafte Gestalt am Boden. Offenbar hatte er bemerkt, dass sie aufgewacht war, denn er erhob sich und kam näher. Wolf wedelte mit dem Schwanz. Da fiel es ihr wieder ein – der blonde Händler mit den dunklen Augen. Wie war noch einmal sein Name? Adam, genau! Der Mann hieß Adam.
    »Ja«, antwortete sie, eine gewaltige Untertreibung, denn ihre Kehle war staubtrocken.
    Er beugte sich über sie, half ihr, sich aufzurichten, und hielt ihr einen Becher hin. Das Wasser schmeckte brackig, sodass sie zu würgen begann. Er kniete neben ihr und beobachtete sie aufmerksam, als er rechne er damit, dass sie etwas sagen oder tun würde. Vielleicht, so dachte sie spöttisch, wartete er ja auch nur darauf, dass sie sich übergab.
    Das Wasser verharrte eine Weile in ihrer Kehle und glitt dann zum Glück hinunter. Sie atmete erleichtert auf, denn sie wollte sich nicht in seiner Gegenwart erbrechen. Sie wünschte, sie wäre nicht so schmutzig und zerzaust, mit offenem Haar und nackten Beinen gewesen. Denn so fühlte sie sich noch ausgelieferter, als sie es ohnehin schon war.
    Sie hob den Kopf. »Danke«, krächzte sie höflich.
    Er betrachtete sie, immer noch schweigend. Inzwischen pochte ihr Schädel, als spränge jemand darin herum.
    »Ich brauche Sie nicht mehr«, murmelte sie, ohne wirklich zu wissen, was sie
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