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Der Duft der Rose

Der Duft der Rose

Titel: Der Duft der Rose
Autoren: Daria Charon
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zurück und griff haltsuchend nach dem Steg. Neben sich hörte er Vincent keuchen.
    »Alles in Ordnung?«, fragt er nach einer Ewigkeit.
    »Oh ja. Und die Engel singen nicht.« Vincents Stimme klang, als hätte er Kreide verschluckt. »Die Engel johlen und pfeifen auf den Fingern.«
    Henri zog ihn in die Arme, und Vincent schmiegte sich an ihn. Ewigkeiten verstrichen. Schließlich sagte Vincent leise: »Ich liebe dich. Ich weiß, du willst es nicht hören, aber in Momenten wie diesem muss ich es dir einfach sagen. Ich liebe dich, Henri.«
    Henri versteifte sich, und Vincent machte sich ohne ein weiteres Wort von ihm los. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog er sich am Steg hoch und ging zurück zum Tisch. Neben einer der Fackeln ließ er sich auf dem Boden nieder und schlang die Arme um die Knie.
    Henri setzte sich neben ihn, vermied es aber, ihn zu berühren. »Ich muss dir etwas sagen.« Es war der denkbar schlechteste Augenblick. Oder aber der beste. Je nachdem, was er erreichen wollte.
    Vincent ignorierte ihn und starrte weiter auf den Teich.
    »Ich werde heiraten.«
    Vincent wandte den Kopf so langsam, als bewege ihn jemand an seiner Stelle. »Du wirst ... was?«
    Henri hielt dem fassungslosen Blick stand. »Ich will einen Erben für Belletoile. Also muss ich heiraten.«
    Vincent öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Das heißt, du schickst mich weg«, sagte er schließlich dumpf.
    »Nein.« Da Vincents Miene sich bei diesem Wort unübersehbar aufhellte, setzte er hinzu: »Schlimmer. Ich will, dass du bleibst.«
    »Du heiratest. Ich bleibe. Und weiter?«
    Henri hob die Schultern.
    Vincents Brauen zogen sich zusammen. »Ist das einer dieser Pläne, die du in deinen Journalen entwickelst, oder ist irgendetwas davon bereits real? Der Name deiner Zukünftigen zum Beispiel?«
    »Es ist ein Plan. Ein Plan, bei dem ich deine Hilfe brauche.«
    Vincent schüttelte den Kopf und lachte dann. »Schätze, ich soll dir eine Braut suchen und in der Hochzeitsnacht deinen Soldaten strammstehen lassen.«
    »Exakt.«
    Vincents Erheiterung schwand. »Du meinst das ernst?«
    »Natürlich. Ich muss ein Kind zeugen und werde bei einer Frau vermutlich nicht soweit einsatzbereit sein, um das bewerkstelligen zu können.«
    »Großer Gott.«
    »Es wird mir doch nicht endlich gelungen sein, dich zu schockieren, mon petit?« Er rettete sich wie so oft in Sarkasmus. Die einzige Möglichkeit, das Thema überhaupt zu diskutieren.
    »Mich nicht, aber ich möchte das Gesicht der Frau sehen, der du das vorschlägst.«
    »Und genau das, mon petit, ist das wirkliche Problem dabei.«

4
    Nicholas Levec wechselte das Bündel mit seinen Habseligkeiten von der rechten Schulter auf die linke und hustete den Staub der Landstraße aus der Kehle. Er war müde. Er war schmutzig. Er hatte kein Geld. Er hatte keine Arbeit. Seit Wochen war er auf der Suche nach einer Anstellung. Im Norden schüttelten sie den Kopf, sobald er seinen Namen nannte. Deshalb hatte er sich schließlich nach Süden gewandt, aber auch hier blieb der Erfolg aus. Die wenigen Güter, die Verwalter suchten, schickten ihn nach dem ersten Gespräch wieder weg. Er wusste nicht, warum. Vielleicht strahlte er zu viel Verbitterung und Hass aus. Vielleicht merkten sie, dass es ihm im Innersten an Demut mangelte, ganz egal, wie misslich seine Lage auch war. Er roch nach Ärger, und niemand hatte Lust, sich darauf einzulassen.
    Im Dorf hatten sie ihm gesagt, dass die Comtesse du Plessis-Fertoc einen Verwalter suchte. Früher hätte er nicht einmal einen Wimpernschlag lang darüber nachgedacht, für eine Frau zu arbeiten. Aber jetzt blieb ihm keine Wahl mehr, deshalb stapfte er missmutig den Weg zum Schloss hinauf. Dabei erinnerte er sich voller Unbehagen an die Beschreibung, die ihm die Männer von der Comtesse gegeben hatten: Ein lebenslustiges Weibsstück sollte sie sein, das die Liebhaber öfter wechselte als andere Leute ihre Hemden. Schlimmer war nur ihr Bruder, der auf dem weit entfernten Belletoile seinen widernatürlichen Neigungen frönte und regelmäßig Orgien veranstaltete.
    Natürlich hatte er die lüsternen Blicke bemerkt, mit denen man ihm diese Geschichten erzählte, und die vor Geifer sabbernden Münder. Jeder Einzelne von ihnen wäre mit Wonne ins Bett der Comtesse gestiegen oder hätte bei den Orgien ihres Bruders mitgemacht. Das lag auf der Hand. Außerdem war er der Letzte, der auf Gerede und Gerüchte etwas gab. Allerdings hatte ihn die Erfahrung gelehrt, dass auch im
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