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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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Fluss. Penelope fühlte ehrliche Erleichterung, als sich eine schmale Hand in die ihre legte und sie zu ihrem gepolsterten Sitzplatz zog.
    »Wenn man sitzt, ist alles nur halb so schlimm«, sagte eine Mädchenstimme. Das Mädchen blieb stumm neben ihr, während Mr. und Mrs. Hosking alle Mühe hatten, ihre quirligen Schützlinge auf dem Boot beisammenzuhalten und keine von ihnen an die Schiffer oder das Wasser zu verlieren, als der Kahn endlich ablegte und Sydney sich immer weiter entfernte.
    Penelope kämpfte gegen die Bilder aus ihrem Gedächtnis. Mit ihnen hatte sie nicht gerechnet. Es war nur ein Katzensprung bis Parramatta – und auf diesem Schiff eine Reise in die Vergangenheit, mehr, als sie gedacht hatte. Paralysiert, eingeschüchtert und halb verhungert hatte sie einst auf diesem Kahn gehockt, hatte gedacht, dass ihre monatelange Reise um die halbe Welt wohl niemals ein Ziel haben würde. Hatte nicht gewusst, wohin es mit ihnen ging, wer ihnen Essen reichen oder sie schlagen würde oder ob man sie im Urwald am Ende sich selbst überlassen und einfach verrecken lassen würde.
    Sie erinnerte sich noch an das Plätschern ringsum, hörte das Wasser an der Bordwand lecken. Sie erinnerte sich an den Geruch von brackigem Süßwasser, weil der Parramatta zu träge war und nirgends fröhlich sprudelte. Sie erinnerte sich an die unerträgliche Schwüle, die von keinem Windstoß vertrieben wurde. An die Geräusche der im Dickicht verborgenen Tiere. Rascheln. Zischen. Knacken im Unterholz. Und sie erinnerte sich noch genau daran, wie sich das unlackierte Relingholz anfühlte, abgegriffen von Hunderten von Händen – hoffnungsvolle und gleichgültige Hände.
    Sie erinnerte sich an Ann Pebbles, die ihr damals zur Gefährtin geworden war und die wie Liam die Seiten gewechselt hatte – in die falsche Richtung. Als sie nebeneinander auf dem Kahn gekauert hatten, voller Angst vor Bestienund schwach vor Hunger, weil der Kahnführer ihr Essen lieber gegen Rum eintauschte, hatte es kein Morgen gegeben. Nur Furcht und die leise Erleichterung, die Angst nicht alleine durchstehen zu müssen.
    Sie waren alle fort, die sie begleitet hatten. Die Mutter. Jenny, Ann.
    Penelope war allein zurückgeblieben, war wie ein zu kleiner Fisch dem Schicksal durchs Netz geschlüpft, und diese Reise in die Vergangenheit sollte wohl beweisen, dass Schwimmen im wilden Wasser die Kunst ist, sich treiben zu lassen und im richtigen Moment die Arme auszubreiten, um vorwärtszukommen.
    »Es gibt keine Wellen auf einem Fluss, Madam«, sagte das Mädchen neben ihr. »Sie müssen nicht seekrank werden. Man wird nur auf dem Meer seekrank.«
    Penelope lächelte. Die Kleine war zierlich und hatte rötliches Haar, so viel konnte sie erkennen. Eine der Schülerinnen, die nie vorne saßen und deren Stimme sie nie gehört hatte. Ein schüchternes Mädchen, so wie sie vor langer Zeit.
    »Erzähl mir, was du siehst«, bat sie. »Am Ufer, im Wasser. Erzähl mir, was es dort gibt.«
    Stockend begann das Mädchen aufzuzählen, was der Fluss wie auf einem Tablett an ihnen vorbeitrug. Silbern glitzernde Wogen, wenn die Sonne ihren Weg durch die dichten Eukalyptusblätter fand. Schillernde, wendige Fische, die in der Tiefe verschwanden, sobald etwas die Wasseroberfläche berührte. So viel Wasser, viel mehr Wasser als in Sydney, fand die Kleine. Und schwarzes Wasser, mit grünen Haaren, dort, wo Algen in der Strömung trieben. Und Grün – dunkles Grün, helles Grün.
    »Mittelgrün – hmm. Gibt es noch mehr Grüns?«, fragte Penelope.
    »Alle Grüns sieht man. Was man sich an Grün nur denken kann. Und einen schwarzen Mann, der in die Bäume geht, hab ich gesehen. Und eine Frau mit langen Haaren. Und ein Känguru – noch eines! Ganz viele! Schauen Sie nur!« Die Kleine sprang begeistert auf, und Penelope griff nach ihrem Arm, damit sie nicht über Bord fiel.
    »Wie heißt du?«
    Die Kleine drehte sich um. »Marie heiß ich«, sagte sie schüchtern.
    »Bist du auch in meiner Häkelklasse?«, fragte Penelope. Sie hielt das Kind immer noch fest und fragte sich, warum sie es tat, denn es saß doch längst wieder neben ihr.
    »Ja, Madam. Ich kann Blümchen häkeln.«
    »Blümchen. Das hab ich früher auch gemacht.« Penelope lächelte. »Pfirsichblumen habe ich gehäkelt, aus rosafarbenem Seidengarn, mit vielen, kleinen Blütenblättern –«
    »Ich weiß, wie so was aussieht, Madam«, unterbrach das Mädchen sie aufgeregt. »Ich bin ja damit zur Welt gekommen.«
    Sie
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