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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ruhig über alle Ereignisse der letzten Tage und Wochen. Viel hatte Merker ja selbst erlebt; aber was in Madame Yos Bordell und später auf der Fährdschunke von Koon Lung-tse passiert war, erfüllte Merker mit Entsetzen. Völlig außer Fassung geriet er, als er die Wahrheit über James McLindlay erfuhr.
    »James?! Unmöglich!« rief er und sprang auf. »Ich habe mit ihm telefoniert. Er wollte mir die zweihunderttausend Dollar geben. Er hat mich eingeladen …«
    »Um dich ungehindert umbringen zu können!«
    »Ich glaube das nicht! James!« Dr. Merker schlug die Fäuste gegeneinander. »Er ist Milliardär! Geld bedeutet ihm doch nichts mehr! Was will er mit der Weltherrschaft? Das ist doch purer Blödsinn!«
    »Er war irgendwie ein Irrer«, sagte Dr. Mei ruhig. »Zum Geld die unbeschränkte Macht über alle Menschen … das war sein Traum. Nur Yang konnte er nicht bekommen. Daß sie dich liebt, bedeutet deinen Tod!«
    »Das sind ja Phantastereien! Ich werde mit Ting zu ihm gehen …«
    »Zu spät.«
    »Was heißt das?«
    »James ist tot. Seine Tiger haben ihn zerrissen«, sagte Mei.
    »Mein Gott! Und Dr. Wang An-tse?«
    »Er lief in ein Messer …«
    »Mei!«
    »Der Chefchemiker verschluckte sich an Schwefelsäure …«
    Dr. Merker blieb starr an der Tür stehen. »Mei, was bist du für ein Mensch«, sagte er tonlos.
    Dr. Mei hob beide Arme. »Ich weiß, was geschehen ist, aber ich habe es nicht angeordnet. Es ist die Gemeinschaft der Entrechteten, die sich Recht verschafft hat.«
    »Auch das ist Mord!«
    »Nach dem üblichen Gesetz – zugegeben. Aber hier in Yau Ma Tei lebt man nach eigenen Gesetzen. Das habe ich dir immer wieder gesagt. Nach Gesetzen, die so alt sind wie die Menschheit.«
    »Und in dieser grausamen Welt soll ich nun leben?« Dr. Merker sah hinüber zu Yang. Sie hockte unbeweglich, wie versteinert an der Wand. »Das ist unmöglich!«
    »Behandelst du die Gesetze oder die Kranken?« fragte Dr. Mei.
    »Ich behandle Menschen, die nach unmenschlichen Gesetzen töten!« schrie Dr. Merker.
    »Kümmert sich eine Knochentuberkulose oder eine Lymphogranulomatosis maligna um ein Gesetz? Ich habe dir gesagt: Du bist Wei Kang-teh und nicht mehr Dr. Merker aus Hamburg. Das hier ist deine Dschunke, wird dein schwimmendes Hospital, wird die Hoffnung von Tausenden von Kranken werden, jedes Jahr. Und du wirst hier auf der Dschunke Kinder haben von Yang Lan-hua, deiner Frau. Sie werden hier aufwachsen, auf Deck spielen, im Wasser schwimmen, echte Boat-People-Kinder. Und vielleicht hast du einen Sohn, der auch einmal Arzt wird und dein Werk weiterführt, und du kannst am Ende deiner Tage sagen: Ich habe Tausende gerettet, und Tausende werden noch gerettet werden … das war ein gutes Leben …«
    »Was … was ist mit Tsching Hao-jih?« fragte Dr. Merker.
    »Er steht vor Gericht.«
    »Vor eurem Gericht?«
    »Ja. Das einzige, das gerecht ist.«
    »Das ist doch eine Farce!«
    »Willst du es anhören? Ich fahre dich hin.«
    »Nein! Aber ich fahre weg … an Land!« Dr. Merker zog seinen Arztkittel aus und warf ihn in eine Zimmerecke. »Ich gehe zu Ting Tse-tung! Er soll wissen, daß ich nichts damit zu tun habe.«
    »Das weiß er schon. Trotzdem sucht er dich, um von dir die Namen der Rächer zu erpressen.«
    »Mit anderen Worten: Ich stecke mittendrin! Ihr habt mich zum Mitschuldigen gemacht!«
    »Zum Mitwisser.«
    »Das ist genauso schrecklich! Yang!« Er drehte sich zu Yang um. Sie saß noch immer unbeweglich. »Kommst du mit?«
    »Wohin?« fragte sie. Ihre Lippen bewegten sich kaum.
    »Nach Deutschland!«
    »Gibt es dort Kranke, für die ein Arzt Leben bedeutet?« fragte Dr. Mei.
    »Genug! So viele wie hier!« schrie Dr. Merker. »Und keine Mörder!«
    »Dann geh, Wei Kang-teh.« Dr. Mei faltete die Hände über dem dicken Bauch. »Aber dann werden wir dich anders nennen. Nicht mehr Militärische Tugend, sondern Siao-yueh. Das heißt Kleiner Mond.«
    »Du kommst nicht mit?« fragte Dr. Merker laut. Yang schüttelte den Kopf.
    »Mein Leben ist hier, Fritz.«
    »Ich empfehle dir, dich heimlich nach Macao bringen zu lassen und von dort abzufliegen«, sagte Dr. Mei ruhig. »Ting wird den Flughafen Hongkong überwachen lassen. Ich werde Koon Lung-tse bitten, dich nach Macao zu schmuggeln. Er kennt jeden Trick.«
    »Tu das!« sagte Dr. Merker grob. »Ich bin nicht dafür geschaffen, diese Luft hier zu atmen …«
    Er ging hinaus, rannte an den wartenden Kranken vorbei und verschwand im Inneren der Dschunke, wo die Wände
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