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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel
Autoren: Upton Sinclair
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schrien sich heiser; dann hielt jemand eine Rede, und es wurde noch mehr geschrien. Danach gab es eine kleine Pause, und anschließend folgten weitere Berichte. Von den Schriftführern der Nachbarstaaten gingen Erfolgsmeldungen ein: In Indiana war die Stimmenzahl von 2300 auf 12000 gestiegen, in Wisconsin von 7000 auf 28000 und in Ohio von 4800 auf 36000! Begeisterte Einzelpersonen schickten Telegramme an die Bundeszentrale aus Kleinstädten, die innerhalb eines einzigen Jahres einen einfach phänomenalen Stimmenanstieg erzielen konnten: Benedict in Kansas von 26 auf 260, Henderson in Kentucky von 19 auf 111, Holland in Michigan von 14 auf 208, Cleo in Oklahoma von 0 auf 104, Martin’s Ferry in Ohio von 0 auf 296 – und so noch viele andere. Es gab buchstäblich Hunderte solcher Kleinstädte; jeder Stoß Telegramme enthielt ein halbes Dutzend ähnlicher Meldungen. Und die Männer, die die Depeschen im Saal verlasen, waren alte Wahlkämpfer, die diese Orte besucht und zur Erzielung der Ergebnisse beigetragen hatten, diese also auch entsprechend kommentieren konnten: Quincy in Illinois von 189 auf 831 – das sei da, wo der Bürgermeister einen sozialistischen Redner hatte festnehmen lassen! Crawford in Kansas von 285 auf 1975 – die Stadt, in der der »Appeal to Reason« gedruckt wurde! Battle Creek in Michigan von 4261 auf 10184 – die Antwort der Arbeiter auf die dort aktive Citizens’ Alliance!
    Dann liefen die offiziellen Ergebnisse aus den einzelnen Bezirken und Wahlkreisen der Stadt selbst ein! Ob Arbeiterviertel oder »bessere« Gegend, schien für die Zuwachsrate keine besondere Rolle zu spielen; eine der großen Überraschungen für die Parteiführer aber war die überwältigende Stimmenzahl, die aus den drei Wahlkreisen Packingtowns anrollte. Im Frühjahr 1903 hatten die Sozialisten dort 500 und im Herbst desselben Jahres 1600 Stimmen errungen. Jetzt, nur ein Jahr später, waren es über 6300 – und die Demokraten hatten bloß 8800 bekommen; es gab sogar Wahlkreise, wo sie von den Sozialisten überflügelt worden waren! Damit lag Chicago an der Spitze des Landes; es hatte einen neuen Standard für die Partei aufgestellt, hatte der Arbeiterschaft den Weg gezeigt!
    So drückte es der Redner auf dem Podium aus, und zweitausend Augenpaare hingen an ihm, zweitausend Stimmen jubelten jedem seiner Sätze zu. Er war Leiter der städtischen Fürsorge in Packingtown gewesen, bis er das Elend und die Korruption nicht mehr hatte mit ansehen können. Wie er da vorn stand, jung, mit hungrigen Augen und voll Feuer, wie er seine langen Arme schwenkte und die Zuhörer mitriß, schien er Jurgis der verkörperte Geist der Revolution zu sein. »Jetzt gilt es, die Massen zu organisieren!« rief er ihnen zu. Diese hohe Stimmenzahl, sagte er, die seine Partei nicht erwartet hat und die ihr mehr oder weniger in den Schoß gefallen ist, mache ihn bange. »Das sind noch keine Sozialisten!« warnte er. »Diese Wahl geht vorbei, die Begeisterung flaut ab, und bald haben die Leute das Ganze vergessen. Und wenn auch ihr es vergeßt, wenn ihr euch zurücklehnt und die Ruder sinken laßt, verlieren wir die heute gewonnenen Stimmen wieder, und unsere Gegner lachen sich ins Fäustchen! Ihr müßt euch jetzt fest vornehmen – jetzt, im Rausch des Sieges –, diese Männer, die für uns gestimmt haben, aufzusuchen, mit ihnen zu reden, sie zu unsern Versammlungen mitzubringen, sie zu organisieren und zu den Unsern zu machen! Nicht all unsere Wahlkämpfe werden so leicht sein wie dieser. Überall im Lande analysieren heute abend die Strategen der alten Parteien das Wahlergebnis und legen danach ihren Kurs fest, und nirgendwo werden sie schneller und raffinierter reagieren als hier in unserer Stadt. Fünfzigtausend sozialistische Stimmen in Chicago heißt, daß bei den Wahlen im Frühjahr die Demokraten für Übernahme der Versorgungs- und Verkehrsbetriebe durch die Stadt eintreten werden! Und dann werden sie die Wähler abermals zum Narren halten und all die korrupten Pfründner wieder in die Ämter einziehen lassen! Aber was immer sie auch tun werden, wenn sie ans Ruder kommen, eines ganz bestimmt nicht, nämlich das, wozu sie gewählt worden sind! Sie werden den Bürgern von Chicago keine städtischen Versorgungs- und Verkehrsbetriebe schaffen – werden gar nicht die Absicht haben, ja nicht einmal den Versuch unternehmen. Wohl aber werden sie eines tun: unserer Partei die größte Chance geben, die der Sozialismus jemals in Amerika
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