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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel
Autoren: Wilton Barnhardt
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der Stimme. »Erstens«, zählte sie auf, »sind Sie nach den Bürozeiten der Quästur hier …«
    Lucy betrachtete das Silberhaar, das hoch über Mrs. Miggins’ Kopf aufgetürmt war; ihre Gestik und sogar die gepresste Artikulation der englischen Sprache kamen ihr bekannt vor. Sie kopiert Margaret Thatcher, erkannte Lucy.
    Zweitens gebe es keine Mitteilung an die Quästur, daß für Lucy ein Gästezimmer hergerichtet werden sollte. Drittens gebe es folglich auch keine Mitteilung an das Personal, und daher könne kein Zimmer hergerichtet sein. Viertens seien die Zimmer, vielleicht, für einen amerikanischen Gartenverein gebucht, der, Mrs. Miggins’ Information zufolge, viel Geld dafür bezahle, um jeden Sommer hier sein zu können. Fünftens, dieser Austausch mit der Universität von Chicago – die nicht einfach hier hereinplatzen und Forderungen stellen könne, nur weil das Haus tatsächlich ihr gehöre – erfordere ein gewisses Maß an Schreibarbeit, was im Augenblick, wie Lucy sehen könne, unmöglich sei; das Schild an der Tür informiere deutlich darüber, wann die Quästur geöffnet sei, und nur dann könnten solche Dinge erledigt werden. »Ich nehme an, ihr Amerikaner meint, wir brauchten nur mit den Fingern zu schnipsen, um alles mir nichts, dir nichts zu organisieren. Sehen Sie diesen Papierstapel ?«
    Lucy sah auf die fünf Blätter, die links neben Mrs. Miggins lagen. »Graduierte Studenten aus Amerika, die im College um ein Zimmer zum Wohnen nachsuchen. Als ob wir dazu da wären, ihnen so etwas bereitzustellen! Ich will nur sagen, daß wir weitgehend genug von den Amerikanern haben, vielen Dank, und es wird eine Zeit kommen, da wir unsere prächtigen Einrichtungen nicht mehr als Hotels für Amerikaner nutzen müssen, nur um uns finanziell über Wasser zu halten.«
    »Haben Sie irgendwo ein Gästezimmer, für das ich bezahlen könnte?«
    »Als ob wir ein Bed-and-Breakfast wären! Ich nehme an, Sie meinen, ich hätte soviel Zeit, an der Pforte anzurufen, um das für Sie herauszufinden?«
    Angesichts dieser Tortur brach Mrs. Miggins schier zusammen und drückte auf den einzig vorhandenen Knopf, der sie mit dem Hauptportal verband. »Gehen Sie zurück zum Pförtner«, verfügte Mrs. Miggins, »und sprechen Sie mit John, er wird versuchen, etwas für Sie zu finden, und morgen, wenn Sie das nicht als allzu große Zumutung betrachten, kommen Sie noch einmal während der Geschäftszeiten in dieses Büro, dann versuchen wir, diesen … diesen Schaden wiedergutzumachen.« Lucy ging zurück zum Pförtner. Weiterer Ablauf wie folgt: 1. Sie füllte ein Formular aus, in dem stand, daß sie einen Gästezimmer-Schlüssel habe und ihn zurückgeben werde. 2. Sie hinterlegte ein Pfand von 3 Pfund und erhielt eine Quittung. 3. Sie füllte ein weiteres Formular aus und bestätigte damit, daß sie einen Schlüssel für das Col legetor in Empfang genommen habe und ihn zurückgeben werde. 4. Sie füllte ein drittes Formular aus, in das sie sich als Verantwortliche für das Gästezimmer eintrug, falls in besagtem Gästezimmer etwas beschädigt werden sollte. 5. Sie überreichte 6 Pfund 25 für das Gästezimmer. Endlich machte Lucy sich auf den Weg durch die Innenhöfe und Durchgänge zum düsteren, schlecht erleuchteten Treppenhaus Nummer IX. Sie stapfte die knarzenden alten Stufen bis ganz oben hinauf und fand eine Tür mit dem Schild Gästezimmer, das sie anstarrte. Daneben erläuterte ein zweites Schild die Gästezimmerordnung. Lucy sperrte das kalte, schäbige Zimmer auf, in dem sie unter einer Mansardendecke ein altes Krankenhausbett und ein rostiges, tropfendes Waschbecken erblickte. Na schön, dachte sie, was kann man sonst von einem tausendjährigen Gemäuer erwarten? Wie romantisch! Vielleicht hat hier einmal ein Mönch Schriftrollen abgeschrieben!
    (Der Gebäudekomplex stammt aus dem Jahr 1925, nachgemachter viktorianischer Stil, der wiederum das Mittelalter nachgemacht hat, aber Wir freuen uns, daß es dir gefällt.)
    Lucy gähnte, als sie sich aufs Bett setzte. Sicher würde sie stundenlang schlafen, wenn sie jetzt den Kopf sinken ließe; aber dann würde sie sich nie an die Greenwich-Zeit gewöhnen. Also schnappte sie sich ihren Reiseführer und den Stadtplan und machte sich auf den Weg zum All Souls’ College, um herauszufinden, ob Dr. O’Hanrahan dort wohnte. All Souls’ College, las sie im Gehen, gegründet 1438 von Heinrich VI. Das einzige College ohne Studenten. All Souls’ ist eine Auswahl von Fellows
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