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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
Autoren: Elinor Lipman
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Sie kämen ja zu gar nichts anderem mehr.«
    Das wäre der Moment gewesen, ihm meine Lebensumstände zu schildern: Dass ich meine Wohnung nicht in Begleitung von Personen zu verlassen pflegte, die mich Krethi und Plethi als Dr. Thrift, ihres Zeichens Chirurgin, vorstellten. Dass ich nicht gern unter Menschen ging. Dass ich bis zum Umfallen arbeitete. Im Krankenhaus wimmelte es von Leuten, die gern redeten, egal ob dienstlich oder einfach um des Redens willen - das ging mich nichts an. Mein Arbeitstag war randvoll mit schwierigen Fragen, halben Antworten, nervösen Patienten, fordernden Angehörigen, besserwisserischen Ärzten. Da konnte ich auf abendliche Konversation gut und gern verzichten.
    »Da fällt mir ein - Sie haben mir noch gar nicht gesagt, ob sie mit jemand zusammenwohnen.«
    »Tue ich.«
    »Mit einem Arzt?«
    »Nein.«
    »Sind sie befreundet?«
    »Wir teilen uns die Miete. Das ist alles. Gelegentlich essen wir zusammen zu Abend oder frühstücken gemeinsam, aber auch das nur äußerst selten.«
    »Wie sind Sie dann zusammengekommen, wenn Sie nicht befreundet sind?«
    »Eine Anzeige am schwarzen Brett. ›Fünf Minuten zur Klinik. Ruhige Gegend. Nichtraucher.‹ stand da, glaube ich.«
    »Wie viele Schlafzimmer?«
    »Zwei kleine.«
    Da begann er sich über den Mietmarkt auszulassenüber Wohnanlagen, die ich mir bestimmt leisten konnte, und in denen es einen Fitnessclub gab, ein Schwimmbad, ein Jacuzzi, einen eigenen Parkplatz, eine Zentralstaubsauganlage, einen Kühlschrank mit eingebautem Eiswürfelbereiter...
    Ich versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken.
    »Und Sie kommen gut mit ihr aus? Ist sie rücksichtsvoll und so?«
    »Sie ist ein Er und heißt Leo.«
    »Schwul?«
    »Ich kümmere mich zwar nicht darum, und er legt auch kein allzu indiskretes Verhalten bei seinen amourösen Unternehmungen an den Tag, aber wenn er Besuch hat, dann weiblichen.«
    Geschah mir recht. Warum musste ich mich auch breitschlagen lassen und mit einem redseligen Expatienten ausgehen? Ich fragte ihn, ob das für ihn normaler gesellschaftlicher Umgang war - Leute, die er eigentlich gar nicht kannte, nach ihrem häuslichem Leben und ihren Wohnungsgenossen auszuquetschen.
    »Ich lerne Sie ja gerade kennen«, erwiderte er darauf. »Und Sie dürfen mir gern auch Fragen stellen.«
    Also fragte ich ihn. »Wohnen Sie in einer Wohnung?«
    »In einem Haus.« Er biss sich auf die Lippe. »Allein. Jetzt zumindest.«
    »Jetzt?«
    Er trank seinen Whisky Sour aus und tupfte sich den Mund mit seiner großen rotbraunen Serviette ab. »Ich war verheiratet. Und auf einmal war ich verwitwet.«
    Die Kellnerin kehrte mit unseren Hauptgerichten zurück. Gerade rechtzeitig, um diese Erklärung noch zu hören. Sie stellte die Teller ab, blieb jedoch an unserem Tisch stehen, als warte sie auf die nächste Manifestation schlechter Manieren aus meinem Munde.
    »Das tut mir sehr Leid«, sagte ich zu Ray. »Wie lange schon?«
    »Ein Jahr und einen Tag.«
    Ich sagte zur Kellnerin: »Ich glaube, das ist alles im Moment.«
    »Bringen Sie uns bei Gelegenheit noch Brot«, sagte Ray.
    Ich fragte ihn, wie seine Frau gestorben war.
    »Keines natürlichen Todes.«
    »Autounfall?«
    »Ja.« Er ergriff sein Weinglas. »Wenn Sie erlauben, würde ich mir die Einzelheiten lieber ersparen. Es wühlt mich zu sehr auf.«
    »Natürlich.«
    Er holte eine Venusmuschel aus der Schale und kaute sie mit an Verzückung grenzendem Genuss.
    Auch ich machte mich über meinen Lachs her. Er war trocken, aber das war meine eigene Schuld.
    »Schmeckt’s? Ich möchte nämlich, dass Sie sich hier wirklich wohl fühlen.«
    »Ausgezeichnet.«
    Und damit hat frau sich praktisch schon die nächste Verabredung mit einem Mann eingehandelt, den sie weder interessant, noch klug, noch unwiderstehlich findet. Er verkündet, er sei seit kurzem Witwer und verletzlich, wie jemand ohne Epidermis. Frau sei sein erster Schritt auf dem glatten Parkett der Partnersuche. Und wenn er dann allen Mut zusammennimmt und fragt, ob es vielleicht eine Wiederholung geben könne - vielleicht in einem anderen Lokal, beim Chinesen oder beim Äthiopier, oder einen gemeinsamen Kinobesuch -, dann sagt frau ja oder nein und ist sich im Klaren, dass die Geschwindigkeit, mit der sie antwortet, und das Gesicht, das sie dabei macht, über sein Wohl und Wehe, möglicherweise sein Leben entscheidet.

3
    LEO FRAWLEY, STAATLICH GEPRÜFTER KRANKENPFLEGER
    Wenn man sich meine Wohnung ansieht, könnte man meinen, ich sei
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