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Der Drachentoeter

Der Drachentoeter

Titel: Der Drachentoeter
Autoren: Martin Scott
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von gestern. Na gut, vielleicht auch von vorgestern.
    »Ich habe ein Problem. Gorsius Sternengucker hat mir gesagt, dass Ihr mir vielleicht helfen könntet. Und er hat auch gesagt, dass Ihr diskret seid.«
    »Das bin ich. Aber vermutlich habt Ihr bereits einen Aufruhr verursacht, indem Ihr nach Zwölf Seen gekommen seid.«
    Damit wollte ich nicht auf ihre Schönheit anspielen. Ich habe es mir vor langer Zeit abgewöhnt, jungen Frauen Komplimente wegen ihrer Schönheit zu machen. Etwa um die Zeit, als mein Leibesumfang so groß geworden war, dass sich diese Mühe einfach nicht mehr lohnte. Aber sie ist fantastisch gekleidet, viel zu teuer für diesen miesen Stadtteil. Sie trägt einen leichten schwarzen Mantel, der mit Pelz gesäumt ist, und darunter eine lange, blaue Samttoga, die eigentlich eher dafür geeignet ist, mit Höflingen in einem Ballsaal zu schwofen, als sich vorsichtig einen Weg durch verfaulende Fischköpfe zu bahnen, wie sie hier unsere Straßen zieren.
    »Mein Diener hat mich in einer kleinen Kutsche hergefahren. Eine geschlossene Kutsche. Ich glaube kaum, dass mich jemand dabei beobachtet hat, wie ich die Treppe hinaufgestiegen bin. Allerdings war ich auf das hier wirklich nicht vorbereitet…«
    Ihre graziöse Handbewegung umfasst sowohl den Zustand meines Raumes als auch den der Straße.
    »Schön, schön. Und was kann ich für Euch tun?«
    Wenn eine offensichtlich vermögende junge Dame mich besucht, was äußerst selten vorkommt, erwarte ich eine Menge Zurückhaltung ihrerseits. Diese Annahme ist keineswegs abwegig, denn wenn eine solche Person ausgerechnet mich konsultiert, muss ihre Lage so verzweifelt sein, dass keiner von ihren Standesgenossen und -genossinnen davon Wind bekommen darf. Vermutlich ist es etwas derart Peinliches, dass sie sich damit nicht einmal an einen dieser Samt-und-Seide-Ermittler in Thamlin wenden will, weil sie Angst hat, dass etwas durchsickern könnte. Diese junge Dame hier ist jedoch alles andere als zögerlich und kommt mit erfrischender Direktheit zum Punkt.
    »Ihr müsst mir eine Schatulle wiederbeschaffen. Es ist ein kleines, mit Juwelen besetztes Kästchen.«
    » Hat es jemand gestohlen? «
    »Nicht direkt gestohlen.«
    »Was ist drin?«
    Sie zögert. »Müsst Ihr das wissen?«
    Ich nicke.
    »Briefe.«
    Hm. »Was für Briefe?«
    »Liebesbriefe. Von mir. An einen jungen Attaché der Botschaft von Nioj.«
    »Und Ihr seid …?«
    Das überrascht sie nun doch. »Ich bin Prinzessin Du-Lackal. Erkennt Ihr mich nicht?«
    »Ich mische mich im Moment wenig unter die Oberen Zehntausend.«
    Ich hätte sie eigentlich von meiner Anstellung im Palast her kennen sollen, aber als ich sie das letzte Mal gesehen habe, war sie zehn Jahre alt. Und außerdem habe ich nicht erwartet, dass plötzlich die Nummer Drei in der Warteschlange für den Kaiserlichen Thron in mein Büro spaziert kommt. Stellt Euch das mal vor! Wenn in dieser Minute König Reeth-Lackal, Prinz Frisen-Lackal und Prinz Dös-Lackal zufällig bei einem bedauerlichen Unfall oder einem Attentat zu Tode kämen, dann würde ich gerade sehr angeregt mit der neuen Herrscherin des Stadtstaates von Turai plaudern. Und das über einen Teller drei Tage alten Eintopfs hinweg. Vielleicht sollte ich doch ab und zu mal aufräumen.
    Sie nickt.
    »Wie viele Briefe ? «
    »Sechs. Er verwahrt sie in einer kleinen, juwelengeschmückten Schatulle, die ich ihm geschenkt habe.«
    »Und warum könnt Ihr sie nicht einfach zurückfordern?«
    »Attilan, so heißt er, weigert sich. Er ist sehr verstimmt, seit ich unsere Beziehung beendet habe. Aber ich musste es tun. Ich will mir gar nicht ausmalen, was mein Vater gesagt hätte, wenn er etwas über uns beide herausgefunden hätte. Ihr begreift sicherlich, dass mir dies alles sehr peinlich ist. Ich kann die Palastwache nicht um Hilfe bitten. Die Königliche Familie nimmt gelegentlich die Hilfe von Privatdetektiven in Anspruch in … in heiklen Angelegenheiten. Ich kann es aber keinesfalls riskieren, mich an jemanden zu wenden, der mich kennt.«
    Ich mustere sie. Sie scheint sehr ruhig und gefasst zu sein, was mich etwas überrascht. Es schickt sich eigentlich nicht für junge Prinzessinnen, Liebesbriefe zu schreiben, schon gar nicht an niojanische Diplomaten. Auch wenn eine Weile Frieden herrscht, verbindet Turai und seine nördliche Nachbarin Nioj eine historische Feindschaft. Nioj ist sehr mächtig und aggressiv, und unser König verbringt die Hälfte seiner Zeit mit dem verzweifelten
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