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Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Drachenflüsterer
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hatte sie sauren Apfelkernbrotteig geknetet. Ihre trüben Augen glänzten.
    »Auf der Straße, da war ein riesiger schwarzer Drache mit einem Ritter und... Ich will Drachenritter werden, weil...«
    »Du wirst nie ein Drachenritter«, unterbrach sie ihn erneut und kam auf ihn zu. »Dein Vater war ein nichtsnutziger Rumtreiber, und du bist ein nichtsnutziger Rumtreiber!«, schrie
sie plötzlich, und dann verpasste sie ihm einen Schlag auf den Hinterkopf.
    Ben wurde von dem Schlag völlig überrascht. Doch dann roch er ihren säuerlichen Atem und sah den leeren Weinkrug auf dem Tisch stehen. Den zweiten Schlag sah er kommen, aber er wagte nicht, auszuweichen, das würde alles nur schlimmer machen.
    »Der hohe Herr wird also ein Drachenritter! Dass ich nicht lache«, keifte seine Mutter noch einmal und stierte ihn an. »Schlimmer als der Vater, das Balg ist schlimmer als der Vater.«
    Das wusste er nicht, denn an seinen Vater konnte er sich nicht erinnern. Mit einem Fußtritt schickte sie ihn ins Bett und wäre dabei beinahe gestolpert. Wenn sie zu viel getrunken hatte, nannte sie ihn immer das Balg und behandelte ihn wie einen Hund. Und sie trank oft, deshalb war er gern und viel auf den Straßen Trollfurts unterwegs.
    Gehorsam und still ging Ben in das angrenzende Zimmer und rollte sich auf dem Strohsack zusammen, obwohl es draußen noch hell war. Er hustete, starrte aus dem Fenster und lauschte angespannt auf die Geräusche aus der Küche, wo seine Mutter weiter den Teig knetete und vor sich hinfluchte.
    Egal, was sie auch sagte, er würde doch ein Drachenritter werden. Er würde eine Klinge aus Blausilber und eine Rüstung tragen, und er würde zahlreiche Drachen von Samoths Fluch befreien. Eines Tages würde er auf einem Drachenrücken sitzen, das schwor er sich. Und dann würde sie Augen machen.
    Erst lange nach Sonnenuntergang schlief er ein, und er träumte davon, wie er auf einem großen, schwarzen Drachen durch ferne, schöne Länder ritt.

ERSTER TEIL
    TROLLFURT

NÄCHTLICHER ZAUBER
    N atürlich geht eine tote Ratte auch, aber eine Drachenschuppe wirkt viel besser.«
    »Wenn ich eine Drachenschuppe hätte, würde ich die nicht wegen einer Warze verschwenden. Eine tote Ratte bekommt man viel leichter noch mal neu.«
    »Nimm, was du willst, Hauptsache, du sagst den passenden Spruch dazu. Und zwar unbedingt um Mitternacht auf dem Friedhof.«
    Ben nickte, in dem Punkt waren sich er und sein bester und einziger Freund Yanko einig. Ben war ein drahtiger Junge von fünfzehn Jahren mit unscheinbar graublauen Augen, schmalen Wangen, stets ungekämmtem braunem Haar und flinken Fingern. Die Risse in seiner dunklen Leinenhose waren mehrmals notdürftig genäht worden, überall prangten bunte, ausgefranste Flicken in unterschiedlichster Form und Größe. An den Beinen war die Hose bereits im letzten Jahr zu kurz gewesen, doch das scherte ihn nicht, nicht jetzt, im Sommer. Sein Hemdkragen stand offen, weil die obersten Knöpfe abgerissen waren und er noch keine neuen gefunden hatte.
    Yanko dagegen hatte schalkhaft-unruhige dunkle Augen und war kräftiger gebaut, jedoch zwei Fingerbreit kleiner. Irgendwann werde er Ben noch überholen, sagte er immer, er sei ja schließlich auch hundert Tage jünger. Das dunkle Haar schnitt ihm seine Mutter jeden zweiten Samstag ganz kurz, damit er es sich in der Schmiede des Vaters nicht versengte.
Sein helles Hemd knöpfte er stets anständig zu, bevor er nach Hause ging. Unter dem Hemd trug Yanko einen abgegriffenen Glücksgroschen an einem Lederband.
    Vertieft in ihr Gespräch über Warzen, saßen sie auf dem blutroten Felsen, von dem vor vielen Jahren der grausame Raubritter Erkendahl in den Tod gestürzt war. Das war bereits so lange her, dass der Geist des Räubers seit ihrer Geburt nicht mehr gesichtet worden und der Platz nun gefahrlos war. Dennoch kamen nicht viele Menschen hier herauf, seit die Blausilbermine weiter oben geschlossen worden war.
    »Zeig mal die Ratte«, verlangte Yanko, und Ben kramte sie aus der geräumigen Hosentasche heraus und gab sie ihm.
    »Die ist ja ganz weiß, das ist gut. Das ist sehr gut.«
    »Das wäre gut, wenn sie nicht den grauen Fleck auf der rechten Seite hätte.«
    »Hm.« Kritisch drehte Yanko das tote Tier im hellen Sonnenlicht hin und her. Das Fell war zerzaust, ein Vorderfuß verdreht, doch sonst sah die Ratte noch ganz passabel aus. Prüfend roch Yanko an ihr und nickte. »Hat noch nicht angefangen zu stinken.«
    »Hab sie heute früh ganz
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