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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron
Autoren: Tad Williams
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weniger, mehr oder weniger … so!« Morgenes fuhr sich mit langen, verkrümmten Fingern durch den schütteren Bartkranz. »Soso … hab Dank für die Frösche. Ich glaube, ich weiß schon, was ich mit ihnen anfange. Völlig schmerzlos. Vielleicht macht es ihnen sogar Spaß, obwohl ich nicht glaube, dass sie die Stiefel gern anziehen werden.«
    »Stiefel?«, wunderte sich Simon, aber der Doktor wuselte schon wieder im Zimmer herum. Jetzt schob er einen Stapel Landkarten von einem niedrigen Hocker und winkte Simon, sich hinzusetzen.
    »Nun also, junger Mann, welche Münze schulde ich dir für dein Tagwerk? Ein Fithingstück? Oder vielleicht möchtest du lieber Coccindrilis hier als Haustier?« Kichernd schwang der Doktor eine mumifizierte Eidechse vor Simons Gesicht durch die Luft.
    Bei der Eidechse zögerte Simon einen Augenblick – es musste herrlich sein, sie in den Wäschekorb zu schmuggeln, damit sie dort von dem neuen Mädchen Hepzibah entdeckt würde … Der Gedanke an Kammermädchen und Saubermachen wollte sich in seinem Kopf festsetzen und erfüllte ihn mit Unruhe; irgendetwas verlangte, dass er sich daran erinnerte, aber Simon verdrängte es. »Nein«, sagte er schließlich, »ich würde lieber ein paar Geschichten erzählt bekommen.«
    »Geschichten?« Fragend beugte sich Morgenes vor. »Geschichten? Du solltest lieber zum alten Shem Pferdeknecht in die Ställe gehen, wenn du so etwas hören möchtest.«
    »Nicht diese Art«, erklärte Simon schnell. Hoffentlich hatte er den Doktor nicht gekränkt; alte Leute waren so empfindlich. »Ich meine Geschichten über wirkliche Dinge. Wie es früher war … Schlachten, Drachen – über das, was sich tatsächlich ereignet hat!«
    »Aaahh.« Morgenes setzte sich auf, und das Lächeln kehrte in sein rosiges Gesicht zurück. »Jetzt verstehe ich. Du meinst Geschichte, nicht Geschichten.« Der Doktor rieb sich die Hände. »Das ist besser – viel besser!« Er sprang auf und begann umherzuwandern, wobei er gewandt über das auf dem Fußboden verstreute Gerümpel stieg. »Nun, wovon möchtest du hören, Junge? Vom Untergang Naarveds? Von der Schlacht von Agh Samrath?«
    »Erzählt mir von der Burg«, bat Simon. »Vom Hochhorst. Hat sie der König erbaut? Wie alt ist sie?«
    »Die Burg …« Der Doktor hörte mit seinen Wanderungen auf, raffte einen Zipfel seines abgetragenen, speckig-grauen Gewandes und rieb damit geistesabwesend an einem von Simons liebsten Wunderdingen herum, einer Rüstung von exotischem Schnitt, in grellen Blau- und Gelbtönen der Wildblumen gefärbt und ganz und gar aus poliertem Holz gefertigt.
    »Hmmm … die Burg …«, wiederholte Morgenes. »Ja, das ist in der Tat eine Zwei-Frosch-Geschichte, zum allermindesten. Wenn ich sie dir wirklich ganz erzählen sollte, müsstest du wohl den Burggraben trockenlegen und mir deine warzige Beute fuderweise bringen, um dafür zu bezahlen. Aber für heute, glaube ich, tut es erst einmal das nackte Gerüst der Geschichte, und das kann ich dirjedenfalls geben. Halte einen Augenblick Ruhe, bis ich etwas gefunden habe, um mir die Kehle anzufeuchten.«
    Während Simon versuchte, ganz still zu sitzen, ging Morgenes an seinen langen Tisch und griff nach einem Becher mit brauner, schäumender Flüssigkeit. Misstrauisch schnüffelte er daran, hob dann den Becher an die Lippen und nahm einen kleinen Schluck.
    Den Geschmack prüfend hielt er einen Moment inne, leckte sich dann die kahle Oberlippe und zupfte beglückt an seinem Bart.
    »Ah, dieses Stanshire-Dunkel. Da gibt es keinen Zweifel, nichts geht über Bier! Also, worüber sprachen wir? Ach ja, die Burg.« Morgenes räumte eine Stelle des Tisches leer und sprang dann, sorgsam seinen Becher festhaltend, mit verblüffender Behendigkeit in die Höhe und ließ sich auf der Tischplatte nieder, wobei seine Füße in ihren Pantoffeln eine halbe Elle über dem Boden baumelten. Wieder nahm er einen Schluck.
    »Ich fürchte, diese Geschichte beginnt lange vor unserem König Johan. Fangen wir mit den ersten Männern und Frauen an, die nach Osten Ard gelangten – einfachen Leuten, die an den Ufern des Gleniwent lebten. Sie waren größtenteils Hirten und Fischer, vielleicht Vertriebene, die über eine Landbrücke, die heute nicht mehr vorhanden ist, aus dem verlorenen Westen kamen. Sie machten den Herrschern von Osten Ard wenig Schwierigkeiten.«
    »Aber ich dachte, Ihr sagtet, sie seien als Erste hierhergekommen?«, unterbrach Simon, der sich insgeheim freute, den Doktor
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