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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer
Autoren: Kate Pepper
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blumenbedruckte Bettdecke sich so mit Blut vollgesogen hatte, dass es heruntergetropft war und eine Pfütze auf dem Boden gebildet hatte. Dennoch hatte nichts von all dem mich auf dieses Bild vorbereitet – ihren geliebten Körper in wächserner Starre. Ich schrie, als hätte ich gerade erst in diesem Moment von Jacksons und Ceces Tod erfahren. Alle Köpfe – vom Richter, den Geschworenen, Anwälten, Verteidigern und Zuschauern – fuhren herum, um mich fassungslos anzustarren. Nach einem kurzen Moment stiller Erkenntnis spiegelten sich auf den Gesichtern der Anwesenden ihre Gefühle wider: Tränen, Mitgefühl, Anteilnahme, Mitleid, sogar Scham. Das einzige Gesicht, dessen Ausdruck vollkommen emotionslos blieb, war das von Martin Price.
    Er betrachtete mich gleichmütig aus diesem vollkommen gewöhnlichen Gesicht, das man wohl als durchschnittlich oder wenig einprägsam beschrieben hätte. Niemandem, der auf der Straße an ihm vorbeiging, wäre er aufgefallen. Er wirkte wie der Nachbar, den man allgemein für nett hielt, der Typ, an den niemand einen zweiten Gedanken verschwendete, der seine Miete rechtzeitig zahlte, Zimmerlautstärke einhielt, sich nie beschwerte und niemanden störte … ein harmloser Langweiler mit annähernd blondem Haar, das er weit unten links scheitelte und dann ganz auf die rechte Seite herüberkämmte. Als mein Schrei durch den Gerichtssaal hallte, drehte sich Martin Price zu mir um und sah mich blicklos aus fast blauen Augen an. So als ob ihn ein unerwartetes Geräusch gestört hätte und er nun, da er dessen Herkunft ausgemacht hatte, aber wieder zur Tagesordnung zurückkehren könnte.
    Mir kam es vor wie lange, lange Minuten, aber es konnten nur wenige Momente gewesen sein, bevor Mac von seinem Platz in der ersten Reihe aufsprang und mich dann schnell aus dem Saal schob. Er legte den Arm um mich und neigte den Kopf tief herunter, schützte mich mit seinem Körper, während er mich nach draußen brachte. Ich erinnerte mich jetzt noch immer an den Pinienduft seiner Seife, weil er mir an dem Tag zum ersten Mal überhaupt so nahe kam, dass ich es riechen konnte, obwohl wir bei der Arbeit so viel Zeit miteinander verbracht hatten.
    Ich stellte das Wasser ab, stieg tropfend aus der Dusche und rubbelte meine Haut mit einem Handtuch trocken. Durch das kleine Badezimmerfenster hörte ich den wiederholten Gesang eines Vogels und wie eine Mutter ihr Kind zum Mittagessen hereinrief und dazwischen das Heulen eines Bohrers und die Propeller eines Hubschraubers, der am Himmel kreiste. Dampfschwaden vom Duschen drangen durch das Fenster hinaus nach draußen.
    Aus dem Schrank in der Ecke meines fensterlosen Schlafzimmers – ein enger Raum, der zwischen Küche und Wohnzimmer eingeklemmt war – holte ich ein Paar saubere Blue Jeans und eine kurzärmelige weiße Bluse aus einem hübschen Stoff mit Lochstickerei. Ich hatte dieses Hemd am letzten Abend getragen, den Jackson, Cece und ich miteinander verbrachten.
    Weil das Schlafzimmer so klein war, stand mein Doppelbett ganz in eine Ecke gedrängt. Daneben befand sich ein Beistelltisch, den jemand wegen eines Kratzers auf dem schwarzlasierten Holz weggeworfen hatte; ein Problem, das ich löste, indem ich die Macke mit einem farbenfrohen Stück mexikanischen Stoffs aus einem Trödelladen kaschierte. Ich besaß eine Lampe in Form eines Flugzeuges, die ich bei einem Nachbarschaftsflohmarkt gekauft hatte. Die gab zum Lesen zwar nicht viel Licht, doch damit hatte ich mich abgefunden. Ich knipste sie an und legte mich mit einem Buch aufs Bett. Aber es war mir nicht möglich, mich zu konzentrieren. Ich überlegte, ob ich aufstehen und aus einem Fenster auf die Straße schauen sollte, entschied mich aber dagegen. Im Wesentlichen wusste ich ja, was da draußen vorging. Ich brauchte nur hier drinnen zu bleiben, mich ruhig zu verhalten und zu warten.
    Ich legte das Buch auf den Tisch, stand auf und ging ins Wohnzimmer. Normalerweise war es der hellste Raum in der Wohnung, aber an diesem Morgen hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, die Vorhänge an beiden Fenstern mit Blick auf die Straße aufzuziehen, deshalb schaltete ich jetzt die Deckenlampe an. Es war kein übles Zimmer – seit ich eingezogen war, hatte ich meinen Dekorationsdrang vor allem hier ausgelebt –, und ich fühlte mich darin immer wohl. Die Wände und die ornamentale Stuckdecke waren weiß gestrichen und über dem pinken Plüschzweisitzer (umsonst aus dem Anzeigenblatt) hatte ich ein altes
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