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Der Doktor Faust (German Edition)

Der Doktor Faust (German Edition)

Titel: Der Doktor Faust (German Edition)
Autoren: Heinrich Heine
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gestaltende Begabnis als Einbildungskraft, ja, ich will die Ketzerei aussprechen, mehr Kunst als Poesie.
    Sie werden, teuerster Freund, nach obigen Andeutungen leicht begreifen, warum ich der schönen Helena einen ganzen Akt in meinem Ballette gewidmet habe. Die Insel, wohin ich sie versetzt, ist übrigens nicht von meiner eigenen Erfindung. Die Griechen hatten sie schon längst entdeckt, und nach der Behauptung der alten Autoren, besonders des Pausanias und des Plinius, lag sie im Pontus Euxinus, ungefähr bei der Mündung der Donau, und sie führte den Namen Achillea, wegen des Tempels des Achilles, der sich darauf befand. Er selbst, hieß es, der aus dem Grab erstandene Pelide, wandle dort umher in Gesellschaft der andern Berühmtheiten des Trojanischen Krieges, worunter auch die ewig blühende Helena von Sparta. Heldentum und Schönheit müssen zwar frühzeitig untergehen, zur Freude des Pöbels und der Mittelmäßigkeit, aber großmütige Dichter entreißen sie der Gruft und bringen sie rettend nach irgendeiner glückseligen Insel, wo weder Blumen noch Herzen welken.
    Ich habe über den zweiten Teil des Goetheschen Faustes etwas mürrisch abgeurteilt, aber ich kann wirklich nicht Worte finden um meine ganze Bewunderung auszusprechen über die Art und Weise, wie die schöne Helena darin behandelt ist. Hier blieb Goethe auch dem Geiste der Sage getreu, was leider, wie ich schon bemerkt, so selten bei ihm der Fall, ein Tadel, den ich nicht oft genug wiederholen kann. In dieser Beziehung hat sich am meisten der Teufel über Goethe zu beklagen. Sein Mephistopheles hat nicht die mindeste innere Verwandtschaft mit dem wahren »Mephistopheles«, wie ihn die älteren Volksbücher nennen. Auch hier bestärkt sich meine Vermutung, daß Goethe letztere nicht kannte, als er den ersten Teil des Faustes schrieb. Er hätte sonst in keiner so säuisch spaßhaften, so zynisch skurrilen Maske den Mephistopheles erscheinen lassen. Dieser ist kein gewöhnlicher Höllenlump, er ist ein »subtiler Geist«, wie er sich selbst nennt, sehr vornehm und nobel und hochgestellt in der unterweltlichen Hierarchie, im höllischen Gouvernemente, wo er einer jener Staatsmänner ist, woraus man einen Reichskanzler machen kann. Ich verlieh ihm daher eine Gestalt, die seiner Würde angemessen. Verwandelte sich doch der Teufel immer am liebsten in ein schönes Frauenzimmer, und im älteren Faustbuche weiß auch Mephistopheles den armen Doktor in dieser Gestalt zu kirren, wenn den Ärmsten manchmal fromme Skrupel überschlichen. Das alte Faustbuch erzählt ganz naiv:
    »Wenn der Faust allein war, und dem Wort Gottes nachdenken wollte, schmücket sich der Teuffel in Gestalt einer schönen Frauwen für ihn, hälset ihn, und trieb mit ihm alle Unzucht, also daß er des göttlichen Worts bald vergaß, und in Wind schlug, und in seinem bösen Fürhaben fortfuhr.«
    Indem ich den Teufel und seine Gesellen als Tänzerinnen erscheinen lasse, bin ich der Tradition treuer geblieben als Sie vermuten. Daß es zur Zeit des Doktor Faust schon Corps de ballets von Teufeln gegeben hat, ist keine Fiktion Ihres Freundes, sondern es ist eine Tatsache, die ich mit Stellen aus dem Leben des Christoph Wagner, welcher Fausts Schüler war, beweisen kann. In dem sechzehnten Kapitel dieses alten Buches lesen wir, daß der arge Sünder ein Gastgelag in Wien gab, wo die Teufel in Frauenzimmergestalt, mit Saitenspielen die schönste und lieblichste Musik machten und andre Teufel »allerlei seltsame und unzüchtige Tänze tanzten«. Auch in Affengestalt tanzten sie bei dieser Gelegenheit und da heißt es: »Bald kamen zwölf Affen, die machten einen Reigen, tanzten französische Ballette, wie jetzt die Leute in Welschland, Frankreich und Deutschland zu tun pflegen, sprungen und hüpften sehr wohl, daß sich männiglich verwunderte.« Der Teufel Auerhahn, der dem Wagner als dienender Geist angehörte, zeigte sich gewöhnlich in der Gestalt eines Affen. Er debütiert ganz eigentlich als Tanzaffe. Als Wagner ihn beschwur, ward er ein Affe, erzählt das alte Buch und da heißt es: »Der sprang auf und nieder, tanzte Gaillard und andere üppige Tänze, schlug bisweilen auf dem Hackebrett, pfiff auf der Querpfeife, blies auf der Trompete, als wären ihrer hundert.«
    Ich kann hier, liebster Freund, der Versuchung nicht widerstehen, Ihnen zu erklären, was der Biograph des Nekromanten unter dem Namen »Gaillard tanzen« versteht. Ich finde nämlich in einem noch ältern Buche von Johann
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