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Der Doktor Faust (German Edition)

Der Doktor Faust (German Edition)

Titel: Der Doktor Faust (German Edition)
Autoren: Heinrich Heine
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Schauplatzes der Versammlung steht Seine Majestät auf einem hohen Postamente, oder einem steinernen Tische, und sieht sehr ernsthaft und melancholisch aus, wie einer, der sich schmählich ennuyiert. Ihm, dem Oberherrn, huldigen alle versammelten Hexen, Zauberer, Teufel und sonstige Vasallen, indem sie mit brennenden Kerzen in der Hand, paarweise vor ihm das Knie beugen und nachher andächtig sein Hinterteil küssen. Auch dieses Homagium scheint ihn wenig zu erheitern, und er bleibt melancholisch und ernsthaft, während jubelnd die ganze vermischte Gesellschaft um ihn herumtanzt. Diese Ronde ist nun jener berühmte Hexentanz, dessen charakteristische Eigentümlichkeit darin besteht, daß die Tänzer ihre Gesichter alle nach außen kehren, so daß sie sich einander nur den Rücken zeigen und keiner des andern Antlitz schaut. Dies ist gewiß eine Vorsichtsmaßregel und geschieht, damit die Hexen, die später gerichtlich eingezogen werden möchten, bei der peinlichen Frage nicht so leicht die Gefährtinnen angeben können, mit welchen sie den Sabbat begangen. Aus Furcht vor solcher Angeberei besuchen vornehme Damen den Ball mit verlarvtem Gesichte. Viele tanzen im bloßen Hemde, viele entäußern sich auch dieses Gewandes. Manche verschränken im Tanzen ihre Hände, einen Kreis mit den Armen bildend, oder sie strecken einen Arm weit aus; manche schwingen ihren Besenstiel und jauchzen: »Har! Har! Sabbat! Sabbat!« Es ist ein böses Vorzeichen, wenn man während des Tanzes zur Erde fällt. Verliert die Hexe gar im Tanztumult einen Schuh, so bedeutet dieser Umstand, daß sie noch in demselben Jahre den Scheiterhaufen besteigen müsse.
    Die Musikanten, welche zum Tanze aufspielen, sind entweder höllische Geister in fabelhafter Fratzenbildung oder vagabundierende Virtuosen, die von der Landstraße aufgegriffen worden. Am liebsten nimmt man dazu Fiedler oder Flötenspieler, welche blind sind, damit sie nicht vor Entsetzen im Musizieren gestört werden, wenn sie die Greuel der Sabbatfeier sähen. Zu diesen Greueln gehört namentlich die Aufnahme neuer Hexen in den schwarzen Bund, wo die Novize eingeweiht wird in die grausenhaftesten Mysterien. Sie wird gleichsam offiziell mit der Hölle vermählt, und der Teufel, ihr finsterer Gatte, gibt ihr bei dieser Gelegenheit auch einen neuen Namen, einen nom d'amour, und brennt ihr ein geheimes Merkmal ein, als ein Andenken seiner Zärtlichkeit. Besagtes Merkmal ist so verborgen, daß der Untersuchungsrichter bei den Hexenprozessen oft seine liebe Not hatte, dasselbe aufzufinden und deshalb der Inquisitin von der Hand des Büttels alle Haare vom Leibe abschneiden ließ.
    Der Fürst der Hölle besitzt aber unter den Hexen der Versammlung noch eine Auserwählte, welche den Titel Oberste Braut »Archi-sposa« führt und gleichsam seine Leibmätresse ist. Ihr Ballkostüm ist sehr einfach, mehr als einfach, denn es besteht aus einem einzigen goldenen Schuh, weshalb sie auch die Domina mit dem güldenen Schuh genannt wird. Sie ist ein schönes, großes, beinahe kolossales Weib, denn der Teufel ist nicht bloß ein Kenner schöner Formen, ein Artist, sondern auch ein Liebhaber von Fleisch und er denkt, je mehr Fleisch, desto größer die Sünde. Ja, in seinem Raffinement der Frevelhaftigkeit sucht er die Sünde noch dadurch zu steigern, daß er nie eine unverheiratete Person, sondern immer eine Vermählte zu seiner Oberbraut wählt, den Ehebruch kumulierend mit der einfachen Unzucht. Auch eine gute Tänzerin muß sie sein, und bei einer außerordentlichen Sabbatfeier sah man wohl den erlauchten Bock von seinem Postamente herabsteigen und höchstselbst, mit seiner nackten Schönen, einen sonderbaren Tanz aufführen, den ich nicht beschreiben will, »aus hochbedenklichen christlichen Ursachen«, wie der alte Widman sagen würde. Nur soviel darf ich andeuten, daß es ein alter Nationaltanz Sodomas ist, dessen Traditionen, nachdem diese Stadt unterging, von den Töchtern Lots gerettet wurden und sich bis auf heutigen Tag erhalten haben, wie ich denn selber jenen Tanz sehr oft tanzen sah zu Paris, rue Saint-Honoré No. 359, neben der Kirche der heiligen Assomption. Erwägt man nun, daß es auf dem Tanzplatz der Hexen keine bewaffnete Moral gibt, die in der Uniform von Munizipalgardisten die bacchantische Lust zu hemmen weiß, so läßt sich leicht erraten, welche Bocksprünge bei oberwähntem Pas-de-deux zum Vorschein kommen mochten.
    Nach manchen Aussagen pflegt auch der große Bock und seine
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