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Der deutsche Goldrausch

Der deutsche Goldrausch

Titel: Der deutsche Goldrausch
Autoren: Laabs Dirk
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nächste Tsunami auf uns zu. So war die Treuhand.«
     
    Nachdem Jens Odewald nicht als neuer Treuhandpräsident zur Verfügung steht, gibt es Gerüchte, dass die politische Führung in Bonn überlege, ob der bayerische Beamte Klaus-Peter Wild Rohwedder im Amt folgen solle. Aber Wild erkennt, vor allem in der Pressekonferenz am Tag nach der Tat, die er gefasst und nüchtern abhält, dass er nicht den Instinkt von Birgit Breuel, der Berufspolitikerin, hat. Sie hat die Situation und die Reporter im Griff.
    Rohwedder selber hatte sich wenige Tage vor seinem Tod dazu geäußert, wer ihn beerben solle. Sein Freund Otto Gellert, der Wirtschaftsprüfer aus Hamburg und Mitglied im Verwaltungsrat der Treuhand, erinnert sich, dass sich Mitte März der Vorstand und das Präsidium des Verwaltungsrates getroffen hatten. Man saß abends in einem italienischen Restaurant in der Kölner Innenstadt zusammen, nachdem die Treuhänder zuvor in Bonn mit der Bundesregierung und den Gewerkschaften das Paket »Aufschwung Ost« verhandelt hatten. Es war also wieder die Runde aus dem »Excelsior Hotel Ernst« versammelt, in der Horst Köhler einst gefordert hatte, es »müsse auch mal gestorben werden«. Beiläufig, so Gellert, wurde in dem Gespräch die Frage aufgeworfen, wer Rohwedder nachfolgen solle: »Die Fragestellung beantworte Rohwedder mit einer galanten Handbewegung, wie es so seine Art war, auf die neben ihm sitzende Birgit Breuel.« 5
    Die letzten Monate hat sich Breuel vor allem um den Aufbau der Niederlassungen gekümmert, denen so plötzlich im Oktober ein Großteil der Verantwortung zugefallen war. Bei der Treuhand hat man das Gefühl, dass
sie diese Aufgabe gut bewältigt. Das Problem ist Birgit Breuels persönliche Situation. Im vergangenen Herbst ist erst ihr Vater und nur wenig später Philip, einer ihrer drei Söhne, nach langer Krankheit an Knochenkrebs gestorben. Und nun ist ihr direkter Vorgesetzter ermordet worden.
    Aber ein anderer Kandidat, der das Amt übernehmen will, findet sich nicht. Die Bundesregierung handelt sich nur Absagen ein. Also fällt die Wahl auf die 53-jährige gebürtige Hamburgerin, 6 deren Vater Alwin Münchmeyer unter anderem Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages war. Breuel hat einige Semester Politikwissenschaften studiert, bricht das Studium aber ohne Examen ab. Danach absolviert sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau, wird Direktionsassistentin in Wirtschaftsinstituten in New York und Hamburg. 7 1966 tritt sie in die CDU ein, vier Jahre später wird sie zum ersten Mal in die Hamburger Bürgerschaft gewählt. 1978 wird sie Wirtschaftsministerin des Landes Niedersachsen, wo sie durch das Postulat eines knallharten marktwirtschaftlichen Kurses bekannt wird und zwölf Jahre als Ministerin in verschiedenen Ämtern mitregiert. In der Bundespolitik ist sie bis dahin nicht aktiv.
    Immer wieder macht Breuel ihr Hauptziel öffentlich klar: »Entscheidend geht es aber darum, Verantwortung wieder zurückzuverlagern auf den Bürger, auf die Wirtschaft und damit dort die Entscheidungsfreiräume zu stärken. Auf der anderen Seite wird der Staat wieder stark gemacht für seine ursächlichen Aufgaben, nämlich die Sicherung des inneren und des äußeren Friedens.« 8 Sie scheint damit auf das Konzept des »Nachtwächter-Staates« zurückzugreifen. Allerdings hat sie in Niedersachsen, wenn es politisch opportun schien und wenn Landesfirmen gestützt werden mussten, Subventionen durchaus verantwortet.
    In einem ihrer Bücher – »Es gibt kein Butterbrot umsonst« – schreibt sie 1976: »Heute ist das Staatsvermögen größer als das aller privaten inländischen Unternehmen. Diese fortschreitende Vermögensbildung beim Staat bringt dem Bürger keine Vorteile. Allerdings ist nicht alles Wirtschaftsvermögen des Staates verkäuflich, zumindest nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums. Aber das veräußerungsfähige staatliche Wirtschaftsvermögen wird auf 150 Mrd. DM geschätzt. Man könnte sich einen Veräußerungszeitraum von 20 Jahren vorstellen.« 9
    In einem Interview mit dem Berliner ARD-Korrespondenten Claus Richter einen Tag nach dem Attentat auf Rohwedder zeigt sie sich geschäftsmäßig, gefasst, fast unbeeindruckt und entrückt, als sei sie gar nicht wirklich anwesend. Dieses Verhalten sollte später typisch für sie werden. Tatsächlich
hat in diesem Moment eine möglicherweise traumatisierte Frau, die drei Todesfälle kurz hintereinander verkraften musste, den schwersten und
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