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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
Autoren: Bastian Sick
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Kindern und vor allem den zunehmend entnervten Erwachsenen gerade noch zuzumuten ist. Sprich: in 45 Sekunden.
    Ganz besonders lästig sind auch immer diese stark verrauschten Durchsagen im Feierabendverkehr, die wie folgt beginnen: »Sehr geehrte Fahrgäste! Hier spricht die Leitstelle der U-Bahn«, und die regelmäßig mit der Beschwörungsformel enden: »Für eventuell entstehende Unannehmlichkeiten bitten wir um Ihr Verständnis.« Die erste Unannehmlichkeit war schon mal diese schwer verständliche Ansage, und Verständnis habe ich dafür nicht im Geringsten.
    Die Bitte um Einsicht hat sich in den letzten Jahren zu einer wahren Volksseuche entwickelt. Allenthalben wird man um Verständnis angebettelt. Defekte Aufzüge, kaputte Automaten, Vorstellung fällt aus, heute keine Sprechstunde. Ohne Angabe von Gründen, aber immer: Wir bitten um Verständnis.
    Noch dreister wird’s, wenn das Verständnis ungefragt vorausgesetzt wird. So ist es inzwischen gängige Praxis, nach kilometerlangen Baustellen – auch solchen, auf denen keinerlei Bautätigkeit festzustellen ist – den aus dem Stau kommenden Autofahrer mit Schildern zu verabschieden, auf denen ihm für sein Verständnis gedankt wird. Nach zehn Kilometern im zäh fließenden Verkehr, eingezwängt zwischen Brummis, Wohnmobilen und Reisebussen, wirkt das »Danke für Ihr Verständnis« nur noch abgeschmackt, fast schon hämisch.
    Früher sagte man noch: »Es tut uns Leid« oder »Wir bitten um Entschuldigung«. Da wusste man noch, was sich gehört. Und stand zu seinen Fehlern. Wer nicht liefern konnte oder eine Leistung versprach, die er nicht erbringen konnte, wand sich in Demut und wartete – auch ungefragt – gleich mit einem Dutzend glaubwürdiger und unglaubwürdiger Erklärungen für sein Missgeschick auf. Heute ist es der Kunde, der sich in Demut üben muss. Wer einen öffentlichen Service in Anspruch nehmen möchte, sollte sichergehen, dass er nicht nur Kleingeld, sondern auch immer ein wenig Verständnis im Portemonnaie hat. Man kann nie wissen, wofür.

Die traurige Geschichte von drei englischen Ladys
    Es waren einmal drei englische Ladys mit gleichen Hobbys. Sie sammelten alte Pennys, besuchten Derbys und Wohltätigkeitspartys, züchteten Guppys und hatten eine Schwäche für stramme Bobbys und rührselige Shantys. Es gab nur eines, vor dem sie sich zutiefst fürchteten: Rowdies! Die in Cities lebten und nachts aus den Gullies krochen, um armen Babies die Teddies wegzunehmen.
    »Die Mehrzahl von Story schreibt sich mit -ies«, behauptete unlängst mal wieder ein Freund – und setzte triumphierend nach: »Du hast wohl im Englischunterricht nicht aufgepasst?« Würde er in London wohnen, dann hätte er Recht. Aber auf deutschem Boden, in einem deutschen Wohnzimmer mit Regalen voll deutscher Bücher, da befindet er sich im Irrtum. Lehnwörtern aus dem Englischen, die auf -y enden, wird im Plural einfach nur ein »s« angehängt, das »y« bleibt unverändert: Babys, Hobbys, Ladys, Lobbys, Partys, Ponys und eben Storys. So ist das mit den Lehnwörtern: Ob friedlich importiert, freiwillig übergelaufen oder gewaltsam verschleppt, wenn sie einmal in den deutschen Wortschatz aufgenommen wurden, dann sind sie auch den Regeln der deutschen Grammatik unterworfen. Das wäre ja auch noch schöner – wenn man mit der Übernahme eines Fremdwortes auch noch die landesspezifische Grammatik importieren müsste. Das wäre ja so, als würden die Amerikaner mit der Einverleibung des irakischen Erdöls bei sich auch noch den Koran einführen.
    In der hoch exklusiven Kaffeebar, wo man sich nach Feierabend gerne trifft, ist diese Regel selbstverständlich außer Kraft gesetzt: Da bestellt man in gepflegtestem Italienisch seine »Espressi« und »Cappuccini«. Wer ganz sichergehen will, dass ihn die asiatische Bedienung auch verstanden hat, hängt noch mal ein »s« an: »Zwei Cappuccinis, bitte!«
    Von geradezu unerbittlicher sprachlicher Konsequenz zeugt es, wenn in Werbetexten oder Zeitungsartikeln »Handies« angepriesen werden. Da werden – in einer Art blind vorauseilendem Gehorsam – englische Regeln auf original deutsche Wortschöpfungen angewandt. Denn den Terminus »Handy« in der Bedeutung von Mobiltelefon kennt die englische Sprache nicht. Die Briten sagen »mobile phone«, die Amerikaner »cellular phone«. Sollte man im Umkehrschluss von ihnen erwarten, dass sie »kindergaerten« und »rucksaecke« schreiben? Und die korrekte Pluralform des
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