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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
Autoren: Bastian Sick
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wie es geschrieben wird. Aber Werbesprache, unverständliches Politikerdeutsch und leider auch bisweilen schlechter Journalismus werfen immer wieder neue Fragen auf und schaffen Verwirrung: Ist »Deutschlands meiste Kreditkarte« richtig gesteigert? Warum wird auf Schildern plötzlich jedes »s« apostrophiert: »Für Sie unterweg’s«, »nächste Ausfahrt recht’s«? Muss man ein Wort wie Anti-Terror-Kampf mit Bindestrichen schreiben, ist Antiterrorkampf womöglich falsch? Heißt es wirklich »im Sommer diesen Jahres« und nicht »dieses Jahres«? Kann etwas, das sinnvoll ist, »Sinn machen«? Wenn es anscheinend einen Unterschied zwischen »scheinbar« und »anscheinend« gibt, warum kennt ihn dann offenbar niemand? All dies sind Fragen, denen dieses Buch auf den Grund geht.
    Wie wird man eigentlich Sprachpfleger, werde ich manchmal gefragt. Muss man dafür Germanist sein? Nein, das muss man nicht. Ich zum Beispiel habe Geschichte und Französisch studiert und bin über Umwege zum Kolumnenschreiben gekommen. Aber die Geheimnisse der deutschen Sprache haben mich fasziniert, seit ich sprechen kann. Meine Lektorin meinte einmal verschmitzt, Sprachpflege sei etwas für kleine Jungen, die gerne Tabellen anlegen. Ich fühlte mich ein bisschen ertappt, weil ich tatsächlich Tabellen für sehr nützlich halte (wie diesem Buch unschwer anzusehen ist). Aber es ging mir nie darum, Sprache in Tabellen zu pressen. Denn wer sich genauer mit Sprache auseinander setzt, der gelangt sehr bald zu folgender Erkenntnis: Eine lebende Sprache lässt sich nicht auf ein immergültiges, fest zementiertes Regelwerk reduzieren. Sie ist in ständigem Wandel und passt sich veränderten Bedingungen und neuen Einflüssen an. Darüber hinaus gibt es oft mehr als eine mögliche Form. Wer nur die Kriterien richtig oder falsch kennt, stößt schnell an seine Grenzen, denn in vielen Fällen gilt sowohl das eine als auch das andere.
    Daher kann und will ich mir auch nicht anmaßen, in diesem Buch absolute Wahrheiten zu verkünden. Meine Texte sprechen allenfalls Empfehlungen aus. Die muss nicht jeder annehmen, manchmal weichen sie sogar von dem ab, was in einigen Grammatikwerken steht. Wenn ich mich mit einer gedankenlosen Sprachmode auseinander setze, bedeutet dies nicht gleich, dass ich ihre vollständige Abschaffung verlange. Mir geht es vor allem darum, das sprachliche Bewusstsein zu schärfen und meine Leser zu ermutigen, nicht alles widerspruchslos hinzunehmen, was ihnen an bizarren Formulierungen in den Medien, in der Werbung, in der Politik, im Geschäfts- und Amtsdeutsch geboten wird.
    Zuletzt muss natürlich noch eine Frage beantwortet werden, die sich jeder stellt, der das Wort »Zwiebelfisch« zum ersten Mal hört oder liest: Was bedeutet dieser seltsame Name, woher stammt er, und was hat er mit deutscher Sprache zu tun?
    Laut Lexikon ist der Zwiebelfisch zunächst mal tatsächlich ein Fisch, Anglern besser bekannt als Ukelei, aus der Familie der Karpfenfische, wissenschaftliche Bezeichnung Alburnus alburnus. Er gilt als »geselliger Oberflächenfisch« und ist in stehenden und nicht zu stark strömenden Gewässern nördlich der Alpen zu finden. Derartige Eigenschaften (gesellig, oberflächlich, strömungsscheu) ließen ihn nur bedingt als Paten für eine Kolumne geeignet erscheinen, die sich anschickte, in die Tiefen der deutschen Sprachniederungen hinabzutauchen.
    Doch das Wort hat noch eine zweite Bedeutung: Im Buch- und Zeitungsdruck bezeichnet »Zwiebelfisch« einen Buchstaben innerhalb eines Wortes, der (versehentlich) in einer falschen Schriftart gesetzt wurde. Irgendjemand hatte mal die Assoziation, dass ein Haufen durcheinander geratener Schrifttypen wie ein Schwarm Zwiebelfische aussähe. Da die Setzersprache bildhafte Ausdrücke sehr schätzt (man denke an »Hurenkind« und »Schusterjunge«), hat sich der »Zwiebelfisch« als Bezeichnung für falsch gesetzte Lettern etabliert. Und da diese Kolumne es sich zur Aufgabe gemacht hat, »falsch gesetzte« Wörter in deutschen Texten aufzuspießen, also »Zwiebelfische« im übertragenen Sinn, schwamm ihr der Name buchstäblich zu.
    Die Idee, den Begriff »Zwiebelfisch« aus der Schriftsetzersprache auf einen weiter gefassten sprachlichen Kontext zu übertragen, ist allerdings nicht ganz neu. Bereits von 1910 bis 1934 gab es eine bibliophile Zeitschrift für Literatur und Kunst dieses Namens, die im Münchner Hyperion-Verlag erschien. Heute ziert der Name »Zwiebelfisch« einen
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