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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
Autoren: Bastian Sick
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– als Heilmittel oder Packung gesehen – sächlich: das Aspirin, das Viagra. Wenn jedoch eine einzelne Pille gemeint ist, kann es durchaus auch die Aspirin oder die Viagra heißen.
    In grammatischer Hinsicht ist die Haselnuss eine ziemlich harte Nuss – nicht nur als Creme, sondern auch zwischen Waffeln: Heißt es das oder die Hanuta? Man mag argumentieren, dass Hanuta die Abkürzung für HAselNUssTAfel sei – und dass die Tafel ja nun unbestreitbar weiblich sei. Doch wer weiß denn schon, dass der Name Hanuta ein Akronym      Anmerkung     ist? Wenn Hanuta weiblich ist, weil »Tafel« weiblich ist, dann müsste eigentlich auch Duplo weiblich sein; denn werben die Hersteller nicht mit dem Slogan, dass es sich um eine Praline handelt? Eine besonders lange sogar?
    Trotzdem sind Schokoriegel in der Regel sächlichen Geschlechts: Kitkat, Mars, Bounty, Snickers, Milky Way, Twix – wann immer man sie mit Artikel nennt, so ist es »das«. Obwohl es doch der Schokoriegel heißt. Aber Mars, Bounty und Co. gibt es schon länger, als es das Wort »Schokoriegel« gibt. Früher sagte man dazu noch »Süßigkeiten« oder »Naschwerk«. Eine sprachwissenschaftlich fundierte Begründung, warum Schokoriegel immer sächlich sind, hat der Verfasser dieses Textes momentan nicht zur Hand. Daher bedient er sich des ultimativen Arguments: Isso! Und damit zurück zur Anfangsfrage:
    Bei Ferrero, dem Hersteller von Nutella, hat man die Frage nach dem Geschlecht des Markennamens natürlich schon oft gehört. Auf der firmeneigenen Homepage gibt es daher einen erklärenden Eintrag, der den Kunden allerdings auch nicht vollständig befriedigen kann: »Nutella ist ein im Markenregister eingetragenes Phantasiewort«, heißt es dort, »das sich einer genauen femininen, maskulinen oder sachlichen Zuordnung entzieht.«
    Manchmal ist eben einfach Fantasie gefragt – nicht nur bei der Suche nach neuen Namen, sondern auch bei der Suche nach einem passenden Geschlecht – oder einer Möglichkeit, die Geschlechterfrage zu umgehen: »Schatz, reich mir doch bitte mal das Nutella-Glas rüber!«

Die reinste Puromanie
    Sie wollen Action, Spannung, Erotik, Leidenschaft? Was immer Ihr Herz begehrt, Sie sollen es bekommen – und zwar pur. In anderer Form werden diese Artikel heute auch gar nicht mehr angeboten.
    Wer sich auf die Suche nach Entspannung begibt, dem wird in Anzeigen, Katalogen, im Fernsehen und auf Internetseiten jede Menge davon versprochen, zu unterschiedlichsten Preisen und von unterschiedlichster Art und Weise. Doch eines haben alle Angebote gemein: Sie verheißen »Entspannung pur«.
    Dieselbe Feststellung macht, wer das Abenteuer sucht: Ob beim Bergwandern in den Pyrenäen, beim Kanufahren auf der Müritz, selbst beim virtuellen Rundgang im Cyberspace – stets versprechen die Veranstalter »Erlebnis pur«. Wer einen Afrikaurlaub plant, der kann »Afrika pur erleben«. Wer lieber mit einem nostalgischen Zug durch heimische Gefilde dampfen mag, den erwartet »Bahnspaß pur«. Niemand muss auf »pur« verzichten. Wer gar nicht verreisen will, wer also »zu Hause pur erleben« will, für den halten die Fernsehmacher allabendlich »Action pur«, »Unterhaltung pur«, »Romantik pur« und – zu späterer Stunde – »Erotik pur« bereit. Die Puromanie hat die Werbesprache fest im Griff. Was immer angepriesen wird, erhält den Nachsatz »pur«. Darauf gibt’s Garantie pur.
    Selbst die Schrecknisse dieser Welt findet man derart fragwürdig verschönt: Hass pur, Horror pur, Verbrechen pur. Früher unterschied man zwischen Optimisten, die die Zukunft in Rosarot sahen, und Pessimisten, die vorzugsweise schwarz sahen. Heute gibt es anscheinend nur noch Puristen, die alles in Purpur sehen. Der Film »Apocalypse now« würde in diesen Zeiten von einem deutschen Verleih vermutlich unter dem Titel »Apocalypse pur« in die Kinos gebracht.
    Ob die fünf Musiker aus Bietigheim angesichts des inflationären »pur«-Gebrauchs ihre Band heute noch so genannt hätten? Als sie sich 1986 den Namen »Pur« gaben, war das Wort noch unverbraucht und halbwegs originell. Heute geht »Pur« im purpurnen Einerlei unter. Sucht man die Band im Internet, so muss man schon etwas Geduld aufbringen, um im Wildwuchs zwischen Literatur pur, Popkultur pur, Natur pur Pur pur zu entdecken.
    Bemerkenswert ist, was hier mit der Syntax geschieht: Das Attribut wird dem Hauptwort nachgestellt, ein in der deutschen Sprache eher ungewöhnlicher Vorgang, denn normalerweise
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