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Der Clown ohne Ort

Der Clown ohne Ort

Titel: Der Clown ohne Ort
Autoren: Thomas Martini
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alternierend. Das alles wurde in sechs Monaten geschrieben, geprobt und gespielt. Die letzten zwei Monate waren die Hölle gewesen, alle, wirklich alle, krochen auf dem Zahnfleisch. In der Hochphase hatte er vier Wochen lang mindestens fünfzehn Stunden täglich gearbeitet: vormittags und nachmittags inszenieren und proben und abends ein bis zwei Aufführungen betreuen plus nachtproben.
    Diesmal steht er schon eine Stunde nach Vorstellungsende gut angetrunken am Clubeingang. Es scheint was Größeres zu sein heute. Also warten, von der Türsteherin visitieren lassen, Treppe hochschweben, zwischen den Leuten durch zur Bar und einen Wodka bestellen. Auf die Tanzfläche schlendern. So tun, als könne man sich auf Alkohol zum Takt der schweren E-Musik bewegen. Sich von einem betrunkenen Jüngling antanzen lassen. Rumknutschen, ’ne Pille im Mund finden, schlucken. Einen weiteren Wodka bestellen, einen Whiskey trinken. Von einer Schönheit herangewinkt werden. »Sag mal, kennen wir uns nicht?« Antworten. »Na aus der Entziehungskur!« Abwinken, angeschlagen auf die Tanzfläche torkeln. Reue. Sah ziemlich gut aus die Kleine. Jetzt steigt das Glück ein. Knutschen. Nicht mehr wissen, mit wem. Er denkt an Transvestiten. Aufs Klo gehen, erst Speed, dann Koks, dann nicht mehr Speed und dann ein umwerfender Glücksschwall, der Bauch imexplodiert, fröhlich schaudernd die Menschlichkeit, in der Versuchung, nach, nach, hin, mitgeben, nehmen und stehlen, sich verschenken, lachend die göttliche Komödie begrüßen, sag Hallo! mein Schatz! Komm! Spring mit ins Sein! Kindliches Leuchten, Verantwortungslosigkeit, den Freudenhunger stillen, nicht denken, sein! sein! sein!, keine Hintergedanken, nur Abdriften, in gleißende Bässe, mitfliegen und noch ’n Wodka. Kraft ist, was schöpft, der letzte human funkelnde Stern – Mensch sein! Mädchen und Junge sein! Mann und Frau zu gleichen Teilen sein! Kunst, künstlich sein! In ein Auto ein-, in eine Wohnung mitsteigen, zunächst zu fünft, und dann strömt die Menschenflut in die Wohnung, Edith, Coco und Joanna, es drängt und wabert, suchen und ficken, als gäbe es kein Morgen, Maria … Schrilles, Mitlachen, Vorwärtsdrängen, Mitziehn, Normalsein ist gut, Natur ist besser, Gehenlassen, die wallende Brandung des Schöpfers mit Leichtigkeit ertragen, fließt in den Ozean, kotzend glücklich sein, die Gesellschaft kreuzigen, sie steht, fällt, rennt vor sich hinweg in endlose Weiten der Verschlimmbesserung, und dann des Glückes wegen: Wir müssen leben! Lieben, streicheln, spielen, spielen und weinen, Freunde – Lukas, Chris, Jasmin, Damien, Louise, Andrea, Johanna, David, Andrej, Enzo, Marc, Hagia, Maria, Luisa und Jenny, Namen gehen unter im Gewimmel. Vögel zwitschern den Morgen herbei, Sonnensteg, ein infantiles Hellblau färbt den Himmel, ein tiefes Orange die gegenüberliegenden Häuserzeilen, Höhlenfenster, strahlend schwarze Löcher, die Seligkeit, Lisa. Zwischen Körpern liegend der Melancholie in den Schlaf entfliehen. Penetriert erwachen und lächeln. Maria war doch die Schönste. Realisten erwarten und lieben den Krieg. Unter ihnen: Waffen und Rätsel.
    Die Sonne kitzelt ihn wach – Louises Haar? Sauerkopf, verschoben, es riecht nach Kaffee. Er richtet sich auf. Lukas kauert in dem eiförmigen Cordsessel, LSD-verschroben das Design. Links von Naïn Louise, rechts Maria und Damien unter einer Decke. Als er aufsteht, räkelt sich Louise wach und fragt verschwommen, wie spät es sei.
    Er schaut in den Himmel. »Ich schätze mal, so gegen elf. Ich geh ’nen Kaffee trinken.« Er streichelt ihren Kopf. Sie gräbt sich in ihr Kissen.
    Johanna, Andrej und David sitzen in der Küche. Sie sind gerade dabei, ein paar Lines vorzubereiten. Auf dem Küchenschrank digital in roten Lettern: 17:36.
    »Schönen guten Morgen! Auch Lust?«, fragt David.
    »Erst mal geh ich pissen«, sagt er.
    Als er zurückkommt, steckt sich Johanna gerade einen Zehner in die Nase und zieht ihre Line in einem Zug weg. Naïn schenkt sich eine Tasse Kaffee ein. Zucker und Milch lässt er stehen. Dann erfühlt und zückt er eine Zigarettenpackung, die noch jungfräulich in seiner Hosentasche steckt – er hat keinen blassen Schimmer, wie sie da hineingeraten ist, und dann auch noch Ernte 23. Er wirft die Packung auf die neben ihm stehende Waschmaschine und stellt sich zum Drogenzug.
    »Koks oder Speed?«, fragt er.
    »Crystal«, sagt David noch gerade, bevor er seine Line durchzieht.
    Das ist dann doch zu
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