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Der Clown ohne Ort

Der Clown ohne Ort

Titel: Der Clown ohne Ort
Autoren: Thomas Martini
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mit B an der Bar hängen und bestellt sich ein Zäpfle. B ist mit einem Whisky dabei. Den Seelenbrand mit Lebenswasser löschen. Er hält der Bedienung einen Zehner hin. Sie lächelt vielsagend, die echte Transe, die Bartstoppeln hat sie sich weglasern lassen, schon wächst ein Busen. Naïn flattern die Hände. Zu viel der Aufmerksamkeit hier, denkt er, zu viel der Berlintouristen, zu viel der eingebildeten Hipsterpornografen, zu viel für seinen Körper, zu viel, er will, er muss, er geht Fuck! fast wär er jetzt … in Lana rein … die steht mit einer Runde Wodka im Weg, guckt gespielt ernst, eben so seufzt Naïn, ein Schulterzucken, schwaches Lächeln, er greift sich einen der vier Kurzen, das Klare schwappt über, auf seine Finger, er stellt ihn hin und leckt es ab, da kommt auch Lucard. Ohne anzustoßen, schütten sie das Zeug runter. »Bin gleich wieder da«, sagt Lana und geht. »Ich auch«, sagt Naïn, etwas zu hastig, und folgt ihr Richtung Toilette, Menschen suchen, die fühlen können.

Enfanterie
    Schon Nacht. Drei Glühlampen glimmen Wärme in die Stube, Decke, Tisch, Ecke, warm, dunkel, düster, im Nachbarzimmer Flüstern. Das Gebundene liegt neben mir. Die Steife des Leinentuchs gibt mir Halt, Mutters frisch gestärkte Wäsche, penetranter Essiggestank. Die Schwangerschaft, der Knall aus dem Nichts, ins Nichts, der Jahre währende Filmriss, Sirenen, Vor- und Nachboten.
    Drei Glühlampen, dunkel, düster, die Feldarbeit, die Frucht, die Furcht. Endlich mich. Ich ertaste das Buch – drei Buchstaben: offen, geschlossen, rund, warm, der letzte Strich nach oben jagend, und L, und A. Endlich vorbei. Bald alles.

Lanas barer Arsch reckt sich ihm entgegen, sein Schwanz, das Reflexive der Kombination: »Wenn nun der wahrnimmt, der sieht, dass er sieht, und hört, dass er hört, und als Gehender wahrnimmt, dass er geht, und wenn es bei allem anderen ebenso eine Wahrnehmung davon gibt, dass wir tätig sind, so dass wir also wahrnehmen, dass wir wahrnehmen, und denken, dass wir denken: und dass wir wahrnehmen und denken, ist uns ein Zeichen, dass wir sind (…)« , Aristoteles verwirrend. Naïn schläft lieber zu Hause. Der Apfel als Symbol der Fruchtbarkeit, oje, bei Lanas Hinterteil wird er gläubig. Notwendig und hinreichend. »Das schält ’nen Wolf ausm Schaf.« Fanal banal. »Was?« Le grand mix. Meine Trauer trägt keine Schuld, das tut die Freude, denkt er. Was will man weniger? Welt an. Und rein.

Seins verbrannt, der Schuh … »Sag mal, hatte ich eigentlich ’nen High Heel …? B?!« Kind, erwach aus der Narko-ose! The Pha-arcyde! Rush, through my veins I can feel the blood gush, rush, under pressure we hold it steady, nothing will be delivered before it’s ready. Endlich blickt sie auf. Sie sieht aus – wie man halt so aussieht mit zerschmirgeltem Gehirn und klardurstigen Augen.
    »Das war Lanas. Der lag neben dir.«
    »Echt?«
    »Ja.«
    »Ich erinnere mich nur, dass ich mit ihr auf die Toilette gegangen bin, um zu …«
    »Ficken, ich weiß. In etwa ’ne gute Stunde, mein Lieber! Bei drei Toiletten für den ganzen Laden!«
    »Is’ ja gut. Und dann?«
    »Roses, Farbfernseher, Bar, Golden Gate, Delicious.«
    »Delicious? Das ist nicht dein Ernst!« Wie Naïn erkennt, war es ihr Ernst, bitterer. »Die Transen und ihre Zuhälter? Und das schwule Pärchen, das …?«
    »Schrill, wa?«
    »’n bisschen zu.«
    »Und dann wart ihr beide plötzlich weg.«
    »Wann denn?«
    »Elf? Zwölf?«
    Es blättert.

In einer Bauernstube bin ich, fiebrig, verschwitzt, Elend klebrig auf der Haut. Lorbeeren können stichig sein. Von meinen Füßen her riecht es nach Essig.

»Du warst den ganzen Tag nicht zu erreichen. Um neun bin ich zu dir gefahren. Das Licht brannte, aber du hast nicht aufgemacht. Ich hab sogar mit der Faust an deine Haustür geschlagen, da war aber nichts, nur ’ne unheimliche Stille, so als sei jemand da – ich hab mir echt Sorgen gemacht! Der Nachbarn wegen hab ich dann aufgehört und bin nach Hause. Mitten in der Nacht bin ich aufgewacht und habe euch zu erreichen versucht. Wie durch ein Wunder ging Lana ran, die war gerade kurz aufgestanden. Ein ganz schlechtes Gewissen hatte die plötzlich, sie wusste aber auch nicht, wo du warst. Dann rief sie zurück: Sie sei bei dir und du lägst auf dem Boden im anderen Zimmer. Die war immer noch komplett verstrahlt. Ich bin gleich zu euch. Du lagst komatös vor dem Sofa, hast unregelmäßig und viel zu schwer geatmet. Wir wollten dich irgendwie ins
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