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Der Clown ohne Ort

Der Clown ohne Ort

Titel: Der Clown ohne Ort
Autoren: Thomas Martini
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vorhin auf dem Klo sieht er ja aus, crescendo, das Denken: Lasse es springen, fallen, starre gebannt ins Nichts, sinke tiefer, steige, tändele mit. Es erhebt, erschüttert, wie bei einer Oper ist das dieses Mal, der Körper flirrende Harmonie, das kann nur Musik, in Rage spielt er sich, kindliches Leuchten, in speckiger Gesichtsbleiche ein Lächeln, mit Wohlgefallen löst es sich schaudernd ins Reine, funkelt im Sturm, herrlich, die Schwalben an Urgroßvaters Haus, der Keller, in dem es nach Wein und feuchter Erde roch, Mit Gottes Segen 1793 im Balken eingeschnitzt, gleich neben dem deckenhohen Eichenfass, aus dem er jedes Mal ein Gläschen probierte. Und dann platzte Blasmusik so ufza-ufza-tataratatamäßig blechern ins Ätherische – woher kommt das? –, dann ein Beat, Lucard schlug die Hände wütend in die Tasten, dass es Naïn die Bauchhöhle zersägte. Wie ein Wahnsinniger hielt Lucard mit gesenktem Kopf inne, Idealverstellungen Beethov’scher Grandezza, das Mobilteil düdelte weiter, das Lied kenne ich doch!, dachte Naïn. »There’s only two types of people in the world, the ones that entertain and the ones that observe.« Endlich ging er ran.
    Jetzt also wieder in einem Gelblicht, Elfenbeinstern mit Lederausstattung, in die Luzia fahren sie, noch was trinken, »So sprungbrettlike«, hatte Lucard gesagt. Die anderen ließen sie schlafen. Alexanderplatz jetzt, bin kein guter Beifahrer, zu ängstlich vielleicht, ahnt Naïn, nicht gewohnt, die Kontrolle zu verlieren, einer der Hauptgründe für Flugangst, wie er mal gelesen hatte, das Ausgeliefertsein, das Zukünftige. Sie rasen im Kontinuum.

Fusion
    Picasso schillernd: Computer sind interessant. Sie werden nur Fragen stellen. Ich bin ein Fragezeichen, das nach seiner Antwort sucht. Mit Bachstelzen in einer Eiche sitzend, Wolken, Linien in purpurnen Himmeln, die Götter ziehen sie mit uns, in den Schnee, in die Sonne, auf Pauken schlägt das Herz, kunterbunte Paradiese im rostigen Sand. Es ist Circus und wir sind Clowns mit Glitzerfratzen.
    Elfe Wilma steht auf, Zwerg Bela ist endlich da, mit einem Elefanten schlendert er auf mich zu, ich würde gern Gitarre spielen können wie Bob Dylan, ich würde gern Gitarre spielen können, Pilocka Krach, mein Lied war das gewesen, sie in einer antiken, perlmuttverzierten venezianischen Maske, bewehrt, die Augen stieren, Kakteen wachsen in den Himmel, labil, drei Jahre Inkubationszeit, hoffentlich übersteht sich die Zeit unbeschadet.
    Seinen faltigen Stumpen legt der mir auf die Brust, vier Zehen, schwer atmet sich’s mit ’ner Tonne Druck, am Handgelenk sein warmweicher Rüssel. Die Windhose zog mich spielend in die Höhe, mit Klopapierstreifen und Chipstüten flog ich, Peter Pan im Elfenumhang aus biologischem Leinen, Baumwolle eigentlich, unter mir tanzten Burkaträgerinnen ekstatisch zu Minimal Nation, über staubige Wege stelzten wir gen Hain. Am Morgen danach, als wir den Stockentenschirm kauften, der Hitze wegen, fliederfarbene Socken ich, blassviolette Sonnenbrille du.
    Ich werde aufgebahrt, der Zweifingrige schnallt mich fest, eine Spritze muss das sein. Kokssniffend in Bäumen sitzend, unter uns tobende, bare Seligkeit von Aufputschmitteln und Drogen: MDMA, Speed, GHB, Keta, Gras natürlich, Upper und Downer, Pillen in schillernden Farben, kleinfingernagelgroße Buddhapappen, Meow, Mate, Guarana, Alkohol und Zigaretten, leider kein Heroin; wer sich erinnert, ist nicht dabei gewesen.
    Sie tragen schwer, fröhlich wie ein Kind hüpft Wilma nebenher. Ganz schön alt der graue Fettwanst. Das Runterkommen: im toten Körper rasendes Gehirn. Der Sex, der Drive, die Drogen, dabei war alles längst vorbei, vielleicht klappt das ja doch noch, wir liebten uns schließlich, der Sex, wieso muss der auch mit ’ner Waffe bei dir auftauchen? »Ist zwar nur ’ne Gaspistole«, hatte der gemeint, »der will mich umbringen, umbringen will der mich, der ist unberechenbar!«, hastete der. Man kann dem Glück auch als Maus verkleidet gegengeistern, Gruselmännchen, Feuerwerk am helllichten Tag ist das. Der Bass, die Droge, die sich ekstatisch ins Bewusstsein stiehlt, Tage später noch fieberte die Rastlosigkeit in mir, der Bass, lichterloh brennende Sonnen. Bettinas Schweigen, Neonwolle, die eklig verschmierenden Ohrenstöpsel, es half nur bedingt. Den Kopf rasierte ich mir auf der Damentoilette, für Franzi, die edle Hure aus Hamburg, tat ich das, L, ein tonsurierter Mönch wollte ich für sie sein, L, mit durchsichtigem BH
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