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Der Chefarzt

Titel: Der Chefarzt
Autoren: Argirov Valentin
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ihrer Tochter verlobt. Es ist natürlich, daß sie und meine Frau kein sehr inniges Verhältnis … Haben Sie weitere Fragen?«
    »Nur eine, die ich ungern stelle: Schuldeten Sie der Gräfin Geld?«
    »Was veranlaßt Sie zu dieser Frage?«
    »Die Überweisungen für die Krankenhausrechnungen der Gräfin sind von einem Ihrer Konten erfolgt.«
    »Barer Unsinn«, sagte Bertram gereizt. »Wenn Sie nachgeforscht hätten, wüßten Sie, daß ich für die Behandlung meiner persönlichen Freunde keine Rechnungen stelle.«
    »Darum geht es nicht, Herr Professor. Ich spreche von den Krankenhausrechnungen, die den Pflegesatz beinhalten. In der ersten Klasse Ihrer Privatstation macht es immerhin mehrere tausend Mark im Monat.«
    »Sie irren, das kann unmöglich ohne mein Wissen geschehen. Die Gräfin beglich ihre Rechnungen selbst.«
    Der Kriminalbeamte sagte: »Ich habe den Dauerauftrag gesehen. Er trägt die Unterschrift Ihrer Frau.«
    Ein Gespräch nach diesem Besuch.
    Malvina: »Wir streiten nur noch.«
    Er schrie sie an. »Schweig! Du hast unser Leben auf Lügen aufgebaut.«
    »Du bist zornig und ungerecht. Elisabeth wollte nicht, daß du es erfährst. Hatte ich trotzdem das Recht, es dir zu erzählen?«
    »Was meinst du damit, sie wollte nicht? Was sollte ich nicht wissen?«
    »Sie war arm.«
    »Unsinn. Elisabeth hatte nie Geldsorgen. Sie besaß amerikanische Aktien in der Schweiz, mehrere Grundstücke in der Stadt und das Haus …«
    »Sie war hoffnungslos verschuldet. Die Aktien existierten nicht, sie erzählte es jedem, um ihr Gesicht zu wahren. Sie hat vom Erlös der Grundstücke gelebt, die sie hintereinander verkaufte. Mit einem Teil des Geldes vom letzten Grundstück hat sie deine Japanreise finanziert. Dann starb Karen, das Geld war alle, das Haus mit Hypotheken belastet. Elisabeth verstand nichts von Geld, sie war eine Dame.«
    »Hast du ihr Geld gegeben, Malvina?«
    »Nur eine monatliche Unterstützung, nicht sehr viel, als eine Art Gegenleistung für das Haus. Der Bauunternehmer hatte sie betrogen, und die Bank war an ihr nicht mehr interessiert.«
    »Ihr blieb immer noch ihr Schmuck, ihr Brillantkollier zum Beispiel …«
    »Der Schmuck war unecht, das Brillantkollier war eine Nachahmung eines Kolliers, das sie schon vor dem Kriege verkauft hatte. Karens Vater hat aus ihr Unsummen herausgeholt. Es tut mir leid, Hannes.«
    »Ich brauche kein Mitleid.«
    Wieder ist ein Wochenende vergangen. Und nichts gelöst. Seine täglichen Aufgaben – fast zu Reflexen geworden – beanspruchen seine Gedanken kaum. Ihm scheint, daß sie in ihren Qualen bald eine merkwürdige Befriedigung finden, ihr Leben wird zerlegt und Tag für Tag analysiert.
    Es ist zermürbend. Sein aufflackernder, kraftloser Zorn ist Balsam für seine gekränkte Würde.
    Aber auch Malvinas unerschöpfliche Geduld scheint sich dem Ende zu nähern. Sie läßt sich von ihm provozieren, es kommt zu heftigen Gefühlsausbrüchen. Eines Tages sagt sie matt: »So kann es nicht weitergehen. Wir müssen uns trennen.«
    Es war ausgesprochen.

2
    Es ging weiter.
    »Ich könnte es noch lange ertragen«, sagte sie, »wenn nur das Ende abzusehen wäre. Was jetzt passiert, hat schon vor Jahren angefangen. Ich rede nicht nur vom gegenseitigen Vertrauen. Seit Jahren schließt du mich vom wichtigen Teil deines Lebens aus. Ich weiß oft monatelang nicht, woran du denkst, womit du lebst. Seit Jahren warte ich auf dich und stehe dir zur Verfügung, wenn du mich brauchst. Meine Rolle im Leben ist, deinem Willen nachzugeben.« Er hörte ihr zu, spürte sein Gewissen und dachte: ›Sie hat nicht unrecht. Ich hatte immer viel zu tun, ich habe mich wenig um sie gekümmert. Mir blieb nie die Zeit, ihre Hand zu nehmen, ihr alles, was in mir vorging, zu erzählen. Ich hielt es für überflüssig. Es war mir lästig, mit ihr darüber zu reden. Ich war immer der Überzeugung, daß eine verständnisvolle Frau …‹
    Sie sagte: »Wir haben, ohne daß es uns bewußt wurde, die Fähigkeit verloren, miteinander zu reden. Wenn wir uns abends sahen, war alles schnell erzählt, was sich tagsüber zugetragen hatte, die Klinikroutine bei dir, die Alltagsbelanglosigkeiten bei mir. Dann haben wir geschwiegen, wir tranken, um unbeschwert miteinander reden zu können, wir luden Leute ein, um nicht allein zu sein, wir gingen aus, um nicht schweigen zu müssen. Du verstehst, wovon ich spreche, vom unglücklichen Schweigen von Menschen, deren Liebe nicht von Dauer ist. Durch diesen Vorfall –
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