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Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath

Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath

Titel: Der Bund der Drachenlanze - 09 Ellen Porath
Autoren: Stahl und Stein
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Äste und von schweren Füßen zertretene Piniennadeln wiesen ihnen den Weg. Ihr Pfad schlängelte
sich zwischen verkrüppelten Pinien hindurch und erwies
sich stellenweise als kaum passierbar. Die Pinien drängten
sich um sie zusammen; manchmal standen die Stämme gerade eben weit genug auseinander, um ein Pferd durchzulassen. Es war beinahe so, als ob die Bäume nach allem
langten, was sie streifte, überlegte Tanis. Mit einem Fluch
vertrieb er diesen Gedanken und sah sich mißtrauisch um.
Hoch über ihren Köpfen breiteten die Nadelbäume ein
dichtes Dach über ihnen aus. Dunst schien über dem Wald
zu liegen – zumindest kam es dem Halbelfen so vor. Die
Luft des Spätnachmittags war gelblich grau und drückend
feucht, und Tanis stellte fest, daß er nur wenige Schritte
weit sehen konnte.
Eine Zeitlang ritten sie schweigend dahin. Tanis führte
die Gruppe, gefolgt von einem nachdenklichen Caven, einer betont unbeschwerten Kitiara und direkt hinter Obsidians Hufen dem widerwilligen Wod. Immer wieder warf
der Knappe angeekelte Blicke auf den einen oder anderen
Baumstamm und lenkte sein Pferd in weitem Bogen drumherum. Caven wurde immer schreckhafter. Bisher hatte der
Halbelf nichts Seltsameres als den lastenden Dunst entdeckt. Dennoch kam es ihm so vor, als ob jedes Lebewesen
um ihn herum – und an die Geschichte über Tote wollte er
gar nicht erst denken – auf den Punkt starrte, wo sein Puls
an der Kehle klopfte. Vergeblich versuchte er, den Dunst
mit seiner Nachtsicht zu durchdringen. »Wird es im Düsterwald früher dunkel?« murmelte er in sich hinein.
Tanis hörte einen Au fs chrei, als Caven M a l e fi z etwas
langsamer gehen ließ und Obsidian praktisch in den
schweren Hengst hineinrannte. Malefiz trat nach Kitiara
und ihrem Pferd. Kitiara blieb zwar fest im Sattel, als Obsidian beiseite sprang, griff jedoch zu ihrer Peitsche und zog
Cavens Hengst damit eins über. Schnaubend tänzelte Malefiz zur Seite, blieb aber stehen, da Caven an den Zügeln riß.
Wod, den der Hengst aus Mithas schon oft gequält hatte,
kicherte nervös. Die glänzende Haut des Hengstes war
häßlich aufgeplatzt, und Blut quoll hervor. Caven wollte
Kitiara Vorwürfe machen.
Die Kriegerin fauchte ihn an und schnitt ihm gleich das
Wort ab. »Wenn du mit mir unterwegs bist, Mackid, hältst
du dein Pferd im Zaum, oder ich bringe es um – mit bloßen
Händen, wenn nötig. Verstanden, Soldat?«
Mackid nickte mit offenstehendem Mund. Kitiara holte
tief Luft. Zweifellos wollte sie dem Mann weiter den Kopf
waschen, doch der Halbelf unterbrach sie.
»Bis jetzt dachte ich, du habest vor gar nichts Angst, Kit«,
sagte Tanis. »Aber jetzt sehe ich, daß du es nur besser verbergen kannst als wir anderen.«
»Ich – «, setzte sie mit wütenden Blicken an. »Was für ein
Temperament«, murmelte der Halbelf. Kitiara war sprachlos. Tanis fragte den Jungen: »Bluten die Bäume immer
noch, Wod?« Der Knappe biß sich auf die Lippe, warf einen
Blick auf einen Ahornschößling neben sich und nickte. Der
Halbelf nahm das zur Kenntnis und fragte dann Caven:
»Und was siehst du, Mackid?« Als der Söldner aus Kern
nur den Kopf schüttelte, sagte Tanis: »Ich sage euch, was
ich sehe. Ich sehe Dunst, wie tropischen Nebel, der sich um
uns schließt.«
»Wie ein Leichentuch«, fügte Wod hinzu, dem die Worte
einfach so zu entschlüpfen schienen.
»So sieht es Wod. Was ist mit euch?«
Kitiara stieß etwas aus wie »dieser Haufen abergläubischer Schwächlinge.« Caven sah sie an, zog eine Augenbraue hoch und sagte dann gedämpft zu Tanis: »Ich sehe
Männer, die sich am äußersten Rand meines Sichtfelds in
diesem verdammten Wald aufstellen.«
»Männer?« Tanis sah dorthin, wo Caven es zeigte, doch
der Halbelf sah nichts als Dunst.
»Ich kenne diese Männer.« Tanis wartete geduldig, bis
Caven tief Luft geholt hatte. »Es sind Männer, die ich auf
dem Schlachtfeld getötet habe. Sie sind alle da, jeder einzelne. Ihre Wunden bluten noch. Sie haben verstümmelte
Glieder, halten ihre Eingeweide fest, damit sie nicht herausquellen. Ihre Augen«, er rang um Worte, »ihre Augen
sind scharlachrot, und sie warten hier auf mich, seit wir
uns in diesen verfluchten Wald gewagt haben.«
Ein Stöhnen und Krachen ließ sie alle zusammenzucken.
Es war Wod, der ohnmächtig neben seinem verängstigten
P fe rd lag.
Kitiara hänselte Wod pausenlos, nachdem er wieder zu
sich gekommen war. Selbst Tanis begann sich über die
Kriegerin zu
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