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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch
Autoren: John Burdett
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Überlegenheitskomplex – auch wenn Kimberley letztlich nicht mehr wirklich darunter leidet. Wir lernten uns vor ungefähr fünf Jahren bei der Aufklärung eines Falls hier in Bangkok kennen; damals war Kimberley noch eine hormongesteuerte Männerjägerin. Inzwischen wirkt sie sehr viel trauriger, aber auch weiser. Nun kennt sie die Thai-Sitten gut genug, um die Hände zu einem durchaus beachtlichen wai an die Lippen zu führen, das Supatras höherem Status aufgrund ihres Alters Rechnung trägt: Sie ist über fünfzig, nur wenig mehr als einsfünfzig groß, schlank und sieht streng aus in ihrem weißen Laborkittel. Jetzt, da Kimberley ihre Demut demonstriert hat, kann Supatra ihr Herz öffnen und führt uns aus dem Labor ins Kellergewölbe. Mit nachdenklich schräg gelegtem Kopf – eine Technik, die wunderbarerweise ihre mangelnde Körpergröße ausgleicht – fragt sie: »Nun, Sonchai, wissen Sie, wer das Opfer ist?«
    Ich zucke unwillkürlich zusammen, was Dr. Supatra nicht mitbekommt – anders als Kimberley mit ihren unerbittlichen blauen Augen.
    »Ich habe ihre Fingerabdrücke in der nationalen Datenbank überprüft. Es handelt sich um eine gewisse Damrong aus Isakit.«
    »Eine Prostituierte?«
    »Klar.«
    »Hm.«
    Mittlerweile haben wir den Aktenschrank des Todes erreicht, etwa hundert mannsgroße Schubladen in einer Wand. Ohne die Nummer überprüfen zu müssen, wendet Dr. Supatra sich einer in Kniehöhe zu und signalisiert mir mit einer Geste, dass ich sie herausziehen soll. Sie ist schwer, aber leichtgängig; ein mittelstarker Ruck setzt sie in Bewegung, und schon gleitet Damrong, Kopf zuerst, heraus. Wieder zucke ich zusammen. Dr. Supatra schreibt das meiner Sensibilität zu; die FBI-Frau blickt tiefer.
    Sie ist auch mit ihrem aufgeschwollenen Gesicht noch attraktiv: eleganter Kinnbogen, hohe Wangenknochen, ägyptische Katzenaugen, schmale, aber sinnliche Lippen, ebenmäßige weiße Zähne, dieses gewisse Etwas …
    Wem mache ich etwas vor? Natürlich hat das Strangulieren ihre Gesichtszüge auf schreckliche Weise verzerrt und entstellt; doch als die Schublade ganz heraus rollt, besteht kein Zweifel mehr an der Vollkommenheit ihres Körpers, der Fülle ihrer Brüste, der perfekten Form ihrer festen, aber anschmiegsamen Hüften. Ihre Schambehaarung ist rasiert, in einer ihrer Schamlippen steckt ein Silberring. Um ihren Nabel ringelt sich eine Schlangentätowierung mit einem Schwert. Unwillkürlich greife ich nach ihrem schlaffen linken Handgelenk und drehe es herum, wo sich an der Innenseite eine schmale helle Narbe befindet, etwa zweieinhalb Zentimeter lang, von einem Längsschnitt in eine der Adern. Dr. Supatra nickt. »Ja, die habe ich auch gesehen. Eine alte Verletzung. Falls sie von einem Selbstmordversuch stammt, war der nicht sonderlich ernst gemeint.«
    »Ja«, pflichte ich ihr bei.
    Dr. Supatra hat gute Arbeit geleistet. Am liebsten würde ich die große, durch ordentliche Stiche geschlossene Y-förmige Öffnung von Damrongs Körper, die vom Brustkorb bis zum Unterleib reicht, zudecken. Alle Organe sind entnommen; der Anblick schmerzt – besonders jetzt, da die FBI-Frau sich auf meinen Gesichtsausdruck konzentriert.
    »Nun«, frage ich schluckend, »was können Sie uns sagen?«
    »Über die Todesursache? In diesem Fall stimmt der äußere Schein mit dem tatsächlichen Geschehen überein. Sie wurde mit einem etwa einen Zentimeter dicken Nylonseil erwürgt, dem orangefarbenen Strick, den Ihre Männer um ihren Hals gefunden haben: Die Fasern stimmen mit denen der Mordwaffe überein. Alle ihre inneren Organe sind unverletzt, und es gibt auch keinerlei Wunden, Viren oder Bakterien, die ihren Tod verursacht haben könnten.«
    »Keine Hinweise auf gewaltsame Penetration?«
    »Nein. Offenbar wurde ein Gleitmittel benutzt. Natürlich bedeutet das nicht notwendigerweise, dass der Geschlechtsverkehr mit ihrer Einwilligung stattfand, nur, dass er relativ schmerzlos erfolgte.«
    »Sperma?«
    Kopfschütteln. »Vagina und Anus wurden penetriert, vermutlich von einem Penis mit Kondom, denn ich konnte keine Spermaspuren entdecken.«
    Ich schweige einen Augenblick, weil ich merke, dass Dr. Supatra bewusst etwas zurückhält, bevor ich frage: »Und?«
    »Keine Partydrogen. Wie ihr Geisteszustand zum Zeitpunkt ihres Todes auch immer gewesen sein mag – durch Drogen wurde er nicht beeinflusst.«
    »Irgendwelche Hinweise auf Gegenwehr?«, erkundigt sich die FBI-Frau.
    Dr. Supatra schüttelt den Kopf. »Nein,
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