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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt
Autoren: Hanif Kureishi
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»Das bist du doch, nicht wahr, Liebling?« Joanna hieb mit der Faust durch die Luft. »Das ist es. Natürlich. Ich hab dich in diesem Stück gesehen. Und es hat mir gefallen. Du warst großartig. Sehr lustig.« Sie drehte sich zu Changez um. »Dir hat’s doch auch gefallen. Ich weiß noch, wie du mich überredet hast, daß ich mir das Stück ansehen soll. Du hast gesagt, es wäre ziemlich realistisch.«
    »Nein, ich glaub nicht, daß es mir so besonders gut gefallen hat«, brummte Changez. »Das Wenige, woran ich mich erinnern kann, hat bei mir nicht gerade einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Eigentlich war es ein Stück von Weißen für Weiße, nicht wahr, Jammie?« Und Changez sah Jamila an, als suchte er bei ihr Zustimmung und Unterstützung, aber Jamila gab der Kleinen gerade die Brust. Joanna ließ sich glücklicherweise von diesem fetten Arschloch Changez nicht irritieren. »Ich habe deine Art zu spielen bewundert«, sagte sie.
    »Und was machst du so?«
    »Ich filme«, sagte sie. »Jamila und ich drehen einen Dokumentarfilm.« Und an Changez gewandt, sagte sie: »Wir müssen los, Jammie und ich. War großartig, wenn wir morgen zum Frühstück wieder Grapefruit und Toast haben könnten.«
    »Geht klar«, sagte Changez leichthin, doch seine Augen blickten kummervoll drein. »Macht euch keine Sorgen, Punkt neun Uhr steht für dich und Jamila das Frühstück auf dem Tisch.«
    »Super.«
    Joanna küßte Changez. Als sie wegschaute, wischte sich Changez über die Wange. Jamila reichte Changez das Kind, nahm Joanna an der Hand und die beiden machten sich händchenhaltend auf den Weg. Ich blickte ihnen nach, dann wandte ich mich wieder Changez zu. Er wollte mir nicht ins Gesicht sehen, sondern starrte wütend vor sich hin und schüttelte den Kopf.
    »Was ist los?« fragte ich.
    »Du wühlst zuviel in mir auf.«
    »Tut mir leid.«
    »Geh nach oben. Du kannst in dem Zimmer am Ende des Flurs schlafen. Ich muß Leilas Windeln wechseln.«
    Ich war zu müde, um die Treppen hinaufzusteigen, deshalb legte ich mich einfach hinter das Sofa, als Changez aus dem Zimmer ging, und wickelte mich in eine Decke. Der Boden war hart; ich konnte nicht schlafen. Unter mir schaukelte die Welt wie eine Hängematte. Ich zählte meine Atemzüge und spürte, wie meine Bauchdecke sich hob und senkte, wie der Wind meines Atems an meiner Nasenhöhle entlangstrich und meine Stirn sich allmählich glättete. Doch wie so oft bei meinen Meditationsversuchen, dachte ich bald nur noch an Sex und andere Dinge. Wie unerschütterlich und zufrieden Changez wirkte; niemals geriet seine Liebe ins Wanken, es war die echte, die totale Liebe, und er wußte,
    was er fühlte. Und Jamila fand es offenbar nicht unangenehm, auf diese Art geliebt zu werden. Sie konnte tun, was sie wollte, und trotzdem würde Changez sie immer mehr lieben als sich selbst.
    Durchfroren und verkrampft wachte ich auf und war mir zuerst nicht sicher, wo ich eigentlich war. Statt aufzustehen, blieb ich auf dem Boden liegen. Ich hörte Stimmen. Offenbar waren Changez und Jamila ins Zimmer zurückgekommen und unterhielten sich, während Jamila darauf wartete, daß Leila einschlief. Sie hatten sich viel zu sagen; sie redeten über Leilas Verdauung, über das Haus, über den Tag, an dem Simon zurückkehren würde - und wo er schlafen würde -, und über Joannas Dokumentarfilm.
    Ich schlief wieder ein. Als ich erneut aufwachte, wollte Jamila gerade ins Bett. »Ich geh nach oben«, sagte sie. »Du solltest auch versuchen, etwas zu schlafen, mein Süßer. Ach, übrigens, Leila hat keine Windeln mehr.«
    »Ich weiß, dieses kleine freche Monster hat alles vollgeschissen. Ich werd die Windeln morgen mit in den Waschsalon nehmen.«
    »Und meine Klamotten? Sind nicht viele. Und Joannas Hosen? Könntest du -?«
    »Überlaß das alles ruhig Meister Changez.«
    »Danke,« sagte Jamila, »Meister Changez.«
    »Die Hauptsache ist, ich meine, ich bin verdammt froh, daß du gut ißt«, sagte Changez. Er sprach mit hoher und angestrengt klingender Stimme und redete zu schnell, als fürchte er, daß Jamila in dem Moment gehen würde, in dem er aufhörte zu sprechen. »Von jetzt an gibt es für dich nur noch das beste Essen. Zum Frühstück eine Grapefruit und warmes Brot. Frische Sardinen mit frischem Brot zum Mittagessen, und als Nachtisch Pfirsiche und etwas Frischkäse -«
    Er langweilte sie, er wußte, daß er sie langweilte, aber er konnte nicht aufhören. Sie versuchte, ihn zu unterbrechen.
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