Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt
Autoren: Hanif Kureishi
Vom Netzwerk:
hatte. Er hörte nicht zu, sondern stopfte sich bloß den Fraß in sein aufgeschwemmtes Gesicht. Ich redete weiter. Plötzlich unterbrach er mich: »Du bist ein blödes Arschloch, Karim. Und was machst du dagegen? Jammie wird es dir nie verzeihen, daß du nicht zur Demo gekommen bist. Darüber solltest du nachdenken ,yaar.«
    Das saß. Wir schwiegen. Changez schien sich nicht dafür zu interessieren, was ich ihm zu erzählen hatte. Also fragte ich notgedrungen danach, wie es ihm ergangen war. »Du mußt ja jetzt zufrieden sein, he, wo Simon nicht da ist und du Jamila ganz für dich allein hast. Irgendwelche Fortschritte?« »Wir machen alle unsere Fortschritte. Aber es gibt eine andere Frau, die bei diesem Thema mitzureden hat.«
    »Bei welchem Thema?«
    »Jamilas Geliebte, du Idiot.«
    »Jamila hat eine Geliebte? Hör ich recht?« fragte ich.
    »Ich spreche doch laut und deutlich. Jammie liebt zwei Menschen, das ist alles. Ist doch nicht schwer zu verstehen, oder? Sie liebt Simon, aber der ist nicht hier. Sie liebt Joanna, und Joanna ist hier. Hat sie mir jedenfalls gesagt.« Ich starrte ihn verblüfft an. Ob er wohl damals, als er Bombay den Rücken kehrte, auch nur die leiseste Ahnung von dem gehabt hatte, was an verwickelten Beziehungen hier auf ihn zukommen würde. »Was hältst du denn von alldem?«
    »Hä?« Er sah mich verlegen an. Fast war es, als wollte er kein Wort mehr sagen und die Sache damit auf sich beruhen lassen. So hatte er sich nun einmal die Dinge zurechtgelegt, und so sollten sie denn auch sein. »Ich? Was willst du denn eigentlich von mir wissen?« Und er hätte auch noch hinzufügen können: »Wenn du überhaupt etwas von mir wissen willst.«
    Ich sagte: »Ich frage dich, Changez, der du doch so ungefähr gegen alles auf dieser Welt Vorurteile hast, wie du damit fertig wirst, mit einer Lesbe verheiratet zu sein.«
    Die Frage erschütterte ihn stärker, als ich in meiner Ahnungslosigkeit vermutet hatte. Er rang um Worte. Schließlich stieß er, mit gesenktem Blick, hervor: »Tu ich doch gar nicht, oder?«
    Jetzt war ich verwirrt. »Ich weiß es verdammt noch mal nicht«, sagte ich. »Ich dachte, du hättest mir gesagt, daß sie sich lieben?«
    »Ja, Liebe! Ich bin für die Liebe«, verkündete er. »In diesem Haus wollen sich alle lieben!«
    »Na prima.«
    »Bist du etwa nicht für die Liebe?« fragte er, als wolle er wenigstens diese Gemeinsamkeit zwischen uns festhalten. »Doch, ja.«
    »Na also«, sagte er. »Ich bin mit allem, was Jamila macht, einverstanden. Schließlich bin ich kein tyrannischer Faschist. Ich hab keine Vorurteile, höchstens gegen Pakistanis, aber das ist normal. Was willst du also, Karim? Worauf willst du hinaus?«
    Im selben Augenblick ging die Tür auf, und Jamila kam herein. Sie sah magerer und älter aus, ihre Wangen waren ein wenig eingefallen, und um die Augen zeigten sich erste Falten, aber sie schien lebhafter zu sein, unbeschwerter, nicht mehr so ernst wie früher; das Lachen fiel ihr offenbar leichter. Sie sang einen Reggae-Song und tanzte ein paar Schritte auf Leila zu und wieder zurück. Hinter Jamila kam eine zweite Frau ins Zimmer. Sie sah aus wie neunzehn, war aber wahrscheinlich älter, vielleicht Ende Zwanzig. Sie hatte ein unverbrauchtes, offenes Gesicht und eine klare Haut. In ihrem kurzen Haar trug sie blaue Strähnchen, außerdem hatte sie Jeans an und ein rot-schwarz kariertes Arbeiterhemd. Als Jamila ihre Pirouetten drehte, lachte sie und klatschte in die Hände. Sie wurde mir als Joanna vorgestellt, lächelte und starrte mich an, so daß ich mich langsam fragte, was ich wohl verbrochen hatte.
    »Hallo, Karim«, sagte Jamila und drehte sich geschickt zur Seite, als ich aufstand, um sie zu umarmen. Sie nahm Leila Kollontai auf den Arm und fragte Changez, ob alles in Ordnung sei. Sie küßte die Kleine und wiegte sie in ihren Armen. Während Jammie und Changez sich unterhielten, meinte ich einen neuen Ton zu hören. Ich spitzte die Ohren. Was war es nur? Freundlicher Respekt, das war es: Sie sprachen ohne jedes Mißtrauen und ohne alle Geringschätzigkeit miteinander. Wie sich die Dinge doch geändert hatten!
    Dann fragte Joanna mich: »Hab ich dich nicht schon mal irgendwo gesehen?«
    »Ich glaub nicht, daß wir uns schon getroffen haben.« »Nein, getroffen noch nicht. Aber ich bin mir sicher, daß wir uns schon irgendwo gesehen haben.« Nachdenklich betrachtete sie mich.
    »Er ist ein großer, berühmter Schauspieler«, mischte sich Jamila ein.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher