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Der Brandstifter

Der Brandstifter

Titel: Der Brandstifter
Autoren: Jane Casey
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vermeiden ließ.
    Rebecca hatte davon keine Ahnung. Sie half mir beim Zurechtmachen und schleppte mich mit in College-Bars, zu Studentenpartys und in die trostlosen Nachtclubs, die zum Besten gehörten, was Oxford zu bieten hatte. Ich war ihr Publikum, ihr Mantelträger und ihr Mädchen für alles. Und zu Weihnachten, jedes Jahr zu Weihnachten, nahm sie mich mit zu sich nach Hause, damit ich die Feiertage im Haus ihrer Eltern verbrachte, wo die Kaminsimse mit Stechpalmenzweigen und die Flure mit Misteln geschmückt waren, mit einem riesigen Weihnachtsbaum und überall Kerzen– das klassische englische Weihnachtsfest, das es eigentlich gar nicht gibt, außer in ein paar wenigen glücklichen Nischen. Es mag verlogen klingen, aber der Lebensstil der Haworths hatte absolut nichts Großspuriges an sich. Sie waren so echt und aufrichtig, dass ich gar nicht genug von ihnen bekommen konnte.
    Wir verbrachten das erste Studienjahr in bester Harmonie, und ich gewöhnte mich an Rebeccas zwanghaftes Bedürfnis, immer alles ordentlich und wohlsortiert zu haben. Im zweiten Jahr teilten wir uns eine Wohnung, und im dritten Jahr, als wir wieder im College waren, diesmal in verschiedenen Zimmern, verbrachte sie Stunden zusammengerollt auf meinem Bett, trank Tee und erzählte mit funkelnden Augen erfundene Geschichten. Ich stand in ihrem Schatten, selbst wenn sie versuchte, mich ins rechte Licht zu rücken. Der Beobachterposten war mir eh lieber. Sie brach Herzen, ohne es zu wollen, und alle bewunderten sie. Das mag klingen, als sei sie eine unverbesserliche Optimistin gewesen, aber das stimmt nicht, ganz und gar nicht. Sie war brillant und humorvoll und ein bisschen verrückt. Aber sie hatte auch etwas Verletzliches, etwas Unschuldiges an sich, ein Verlangen, gemocht zu werden, dass schon beinahe ins Kindische ging. Der einzige Mensch, der ihr wirklich zu nahe getreten ist– der Einzige, der sie jemals an sich selbst zweifeln ließ–, war zugleich der einzige Mensch, der ihr gegenüber offenbar immun war. Er hatte herausgefunden, dass er sie am besten gefügig machen konnte, indem er so tat, als könne er sie nicht leiden. Das verwirrte und faszinierte sie bis zur völligen Obsession. Und wenn es eins gab, das Adam Rowley perfekt beherrschte, dann war es, Frauen verrückt zu machen– und genau das hat er auch mit Rebecca getan. Ich mag ja selbst nicht sonderlich erfahren gewesen sein, aber ich bin eine geborene Zynikerin. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass ihre Gefühle nur ein Teil des Spiels waren, das er mit ihr spielte, doch sie wollte nicht auf mich hören, oder vielleicht konnte sie es nicht. Als wir im letzten Studienjahr waren, sprach sie unbedacht offen über ihre Gefühle für ihn, geradezu leichtfertig.
    Du hast Adam nie kennen gelernt, und ich bezweifle, dass Rebecca dir jemals von ihm erzählt hat, aber ihr habt einiges gemeinsam. Er hatte eine attraktive Hülle und einen verdorbenen Kern. Die Wege der Universität waren geradezu gesäumt von seinen abgelegten Freundinnen, von Mädchen, denen er nachgestiegen war, die er beschlafen und wieder fallengelassen hatte, sobald er bekommen hatte, was er von ihnen wollte. Ihm ging es nicht um Sex, es ging ihm um Macht. Er wollte wissen, wo man seine Grenzen hatte, um als Nächstes alles daran zu setzen, dass man sie überschritt. Er war ein Fiesling und Frauenhasser, und wenn er nicht so charismatisch gewesen wäre– oder vielmehr regelrechte Guru-Qualitäten besessen hätte–, glaube ich nicht, dass er viele Freunde gehabt hätte. Er wollte den Menschen das Beste nehmen und sie mit nichts zurücklassen. Es ging das Gerücht, dass er an Hepatitis litt und trotzdem wissentlich schon mehrere Mädchen damit infiziert hatte. Aber keiner wusste es eben so ganz genau. Ich nehme an, dass seine Opfer nicht sonderlich scharf darauf waren zuzugeben, dass es stimmte.
    Ich denke, bei Rebecca waren es ihre Unschuld und ihre Gutgläubigkeit, was er ihr nehmen wollte, nur um zu testen, ob er es schaffte. Er brachte sie dazu, in seiner Gegenwart still, wachsam und nervös zu sein, jeden Schritt zu bedenken, gefallen zu wollen. Es tat weh, das zu sehen, aber für sie muss es noch viel schlimmer gewesen sein, weil sie einfach nicht begriff, was er da tat. Aber ich begriff es. Solche Leute habe ich schon immer durchschaut. Man muss selbst ein Manipulierer sein, um einen solchen zu erkennen. Ich habe von Rebecca bekommen, was ich wollte, aber ich habe sie heil gelassen. Adam dagegen hat
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