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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch
Autoren: Aufbau
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fühlte.
    »Bruder Donnchad, wenn du nicht öffnest, lasse ich die Tür aufbrechen.«
    Da das Schweigen andauerte, wandte sich der Abt Bruder Lugna zu. »Hol Bruder Giolla-na-Naomh her.«
    Der Verwalter hastete fort, um den Schmied der Abtei zu holen, während der Abt ungeduldig wartete.
    »Brich die Tür auf!«, befahl der Klosterherr ohne jede weitere Erklärung, sobald der Schmied erschien.
    Bruder Giolla-na-Naomh war ein großer muskulöser Mann, dessen Statur zu seinem Beruf passte. Seine kräftige Gestalt und seine Bereitwilligkeit, körperlich schwere Arbeit zu leisten, hatten ihm bald seinen Namen »Diener der Heiligen« eingebracht. Wie er wirklich hieß, wusste niemand mehr. Der Schmied stellte keine Fragen, sondern blickte nur prüfend auf die Tür. Er bedeutete den anderen, ihm Platz zu machen, drehte sich mit dem Rücken zur Tür, suchte sicheren Stand auf dem linken Bein und schlug mit aller Kraft nach hinten aus. Mit dem rechten Fuß traf er genau das Schloss. Das Holz splitterte, und die Tür schwang nach innen auf. Das schmiedeeiserne Schloss hing noch einen Moment im Türpfosten und fiel dann laut scheppernd zu Boden.
    »Du kannst gehen«, sagte Abt Iarnla zu dem Schmied, während er über die Schwelle trat. »Bruder Donnchad, ichhabe dich gewarnt …« Doch im gleichen Moment verstummte der Abt. Sein Verwalter drängte sich hinter ihn und schaute ihm über die Schulter.
    Ein Fenster ließ genügend Licht in den Schlafraum fallen, sodass sie das
cubiculum
überblicken konnten. Der Bewohner des Raums ruhte auf einer hölzernen Bettstatt. Wie im Schlaf lag er dort, unbeweglich und still.
    Bruder Lugna schob sich an dem wie versteinert dastehenden Abt vorbei zum Bett, beugte sich hinunter und berührte das Gesicht des Liegenden. Hastig zog er die Hand zurück, als hätte er sich verbrüht, drehte sich zum Abt um und sagte tonlos: »Bruder Donnchad ist tot.«
    »Attende Domine, et miserere …«,
stimmte der Abt leise die Bitte um Gottes Erbarmen an.
    Es wunderte ihn, dass Bruder Lugna den Toten auf die Seite drehte, sodass sein Rücken sichtbar wurde. Ein paar Augenblicke starrte der Verwalter darauf und ließ danach den Leichnam in seine ursprüngliche Lage gleiten.
    Der Abt unterbrach sein Gebet und fragte: »Wonach suchst du, Bruder Lugna? Glaubst du, er hat sich selbst das Leben genommen?«
    Der Verwalter richtete sich auf. Alle Farbe war ihm aus dem bleichen Gesicht gewichen, und er wirkte verstört.
    »Er und sich selbst umgebracht? Es ist wohl kaum einer imstande, sich selbst ein Mordwerkzeug zweimal in den Rücken zu stoßen, danach ins Bett zu klettern und sich niederzulegen«, war die trockene Antwort.
    Auch das rötliche Gesicht des Abts wurde leichenblass. Er schlug das Zeichen des Kreuzes.
    »… lux perpetua luceat eis, qui erant in poenis tenebrarum …«,
begann er zu murmeln, »… lass das ewige Licht denen scheinen, die in der Pein der Finsternis waren.«

KAPITEL 2
    »Läuft es darauf hinaus, dass du dem Glauben entsagen willst, Fidelma?« Ségdae, Abt von Imleach, war aufgebracht.
    Fidelma stand vor dem Abt in jenem Privatgemach, das immer, wenn er zu Besuch im Palast von Cashel weilte, für ihn zur Verfügung stand. Aufgrund seines kirchlichen Amts als Oberster Bischof von Muman wurde Ségdae stets mit gebührendem Respekt behandelt, wenn er seinen König aufsuchte.
    »Ich entsage nicht dem Glauben, ich will nur mein Leben als Nonne aufgeben«, erwiderte Fidelma in aller Ruhe.
    Abt Ségdae betrachtete sie mit Argwohn. »Ich kann das nicht gutheißen. Ich weiß, du hast seit Jahren Bedenken …«
    Sie hob eine Hand, um ihn unterbrechen zu dürfen, und er gewährte es ihr.
    »Damals, als ich an der Hohen Schule von Brehon Morann Recht studierte, was meine Leidenschaft ist, war mein Bruder nicht König von Muman, und ich war auf Unterstützung angewiesen, solange ich mir nicht einen Ruf als Anwältin, als
dálaigh
bei Gericht, erworben hatte. Mein Vetter, Abt Laisran von Darú, hatte mir geraten, in das Kloster der heiligen Brigid in Cill Dara einzutreten, die brauchten jemand mit Rechtskenntnissen. Vor ein paar Jahren schon habe ich mir den Staub des frommen Hauses von denSandalen geschüttelt, die Gründe sind dir sehr wohl bekannt.«
    Abt Ségdae zuckte mit den Schultern.
    »Ein fauler Apfel bedeutet nicht gleich, dass die ganze Ernte schlecht ist«, bemerkte er.
    Über Fidelmas Gesicht huschte ein Lächeln, aber wirklich spaßig war ihr nicht zumute.
    »So gesehen gibt es
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