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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch
Autoren: Aufbau
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reichlich viele faule Äpfel um uns herum, denn in den letzten sieben Jahren oder so, in denen ich mich in der Rechtsprechung übe, sind mir mehr davon untergekommen, als ich aufzählen kann, selbst im Palast des Heiligen Vaters in Rom. Seit ich von Cill Dara fort bin, habe ich mich hier am Hof meines Bruders in Cashel aufgehalten, habe ihm und seinem Königreich und selbst dem Hochkönig gedient, so gut es in meinen Kräften stand, wenn mein Können gefragt war. Die Kirche bedarf meiner kaum, um den Glauben zu stärken. Recht und Gesetz hingegen könnte ich weit dienlicher sein.«
    »Was schlägst du also vor?«
    »Nach all den Jahren, in denen ich nicht mehr wirklich eine Schwester der Gemeinschaft war, möchte ich nicht länger als Nonne gelten, weder dem Namen nach noch in praxi. Es war für mich nur eine Sicherheitsgarantie in einer unsicheren Welt. Jetzt braucht mich eher mein Bruder, damit ich ihm mit Rat und Tat zur Seite stehe und wir gemeinsam Rechtsfragen, die im Königreich auftauchen, klären.«
    Der Abt runzelte die Stirn. »Ich nehme zur Kenntnis, was du sagst, Fidelma. Ich nehme es zur Kenntnis, und es beunruhigt mich. Hat das Ganze etwas mit Bruder Eadulf zu tun?«
    Fidelma errötete. »Mit Eadulf? Wie kommst du darauf?« Es klang abwehrend.
    Der Abt lehnte sich zurück und sah sie eindringlich an.
    »Es ist niemandem entgangen, Fidelma, dass ihr beide seit eurer Rückkehr vom Konzil zu Autun und seit den Schwierigkeiten, mit denen ihr es nach der Abreise vom Hafen von Naoned zu tun hattet, getrennt lebt. Was ist der Grund?«
    »Es ist …, es sind rein persönliche Gründe«, wich sie aus.
    Der Abt schüttelte betrübt den Kopf. »Alles, was das Wohlbefinden der Schwester des Königs betrifft, was sie dazu bringt, sich von der frommen Schwesternschaft zu lösen, darf mich als oberster geistlicher Ratgeber des Königs nicht unberührt lassen.«
    »Meine Entscheidung hat nichts mit Eadulf zu tun.« Verärgert blieb sie bei ihrer Aussage. »Ich hatte in Cashel zu tun, und Eadulf wollte eine gewisse Zeit in der Bruderschaft des heiligen Ruan nördlich von hier verbringen, um in Ruhe einiges zu durchdenken. Das ist alles.«
    »Wirklich alles?«
    »Was sollte sonst sein?«, fragte sie gereizt.
    Abt Ségdaes Stimme klang besorgt. »Das versuche ich gerade herauszufinden, mein Kind. Kaum, dass ihr beide nach Cashel zurückgekehrt wart, ging Eadulf in die Abtei des heiligen Ruan und du bliebst hier bei eurem Sohn Alchú …«
    »Ist an meinem Verlangen, bei meinem Sohn zu sein, etwas falsch?«, fragte sie ungehalten.
    Der Abt ignorierte ihren heftigen Ton und blieb gelassen. »Dann suchst du mich auf und eröffnest mir, dass du nach all den vielen Jahren aus der Gemeinschaft des Klosters auszutreten wünschst. Wenn ich da denke, dass die Dinge etwas miteinander zu tun haben, darfst du mir das nicht verübeln.«
    Beklommenes Schweigen war die Folge.
    »Wir kennen uns beide lange genug, Fidelma«, begann der Abt erneut. »Dir ist ein scharfer Verstand gegeben, unddeine Fähigkeit, Dinge zu hinterfragen, kommt dir als Anwältin sehr zugute. In deinem Beruf bist du so manches Mal gezwungen, Grundlehren des Glaubens in Zweifel zu ziehen. Der Glaube aber lässt sich nicht immer so ergründen, dass du eine rationale Antwort erhältst – das eben macht den Glauben aus, er ist keine Wissenschaft, nicht etwas, das durch Beweise erhärtet werden kann, so, wie es deine Gesetzesbücher verlangen oder der logische Sachverstand.«
    Er sah, wie Fidelma die Lippen störrisch zusammenpresste.
    »Ich habe dir gesagt, dass ich zum Glauben stehe«, entgegnete sie leise. »Ich stelle den Glauben nicht in Frage.«
    »Hast du mit deinem Bruder, dem König, darüber gesprochen?«
    »Ich habe es getan, ja. Ich habe Colgú, meinem Bruder, als Rechtsberaterin gedient, habe auch dir und anderen Äbten gedient, wenn bei Konventen der Kirche Rat verlangt wurde. Colgú verlässt sich immer mehr auf mich und meine Überlegungen. Es ist allgemein bekannt, dass Baithen, der Oberste Brehon von Muman, an der Auszehrung leidet und den Wunsch geäußert hat, sich aus der beruflichen Verantwortung zurückziehen zu dürfen.«
    In Abt Ségdaes Augen widerspiegelte sich Erstaunen.
    »Du strebst danach, Oberster Brehon in deines Bruders Königreich zu werden?«
    »Danach streben ist das eine«, erwiderte sie unverblümt und streckte das Kinn leicht vor. »Ich glaube sogar, dass der Rat der Brehons mir in meinem Streben nach besagtem Amt gewogen
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