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Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
Autoren: Martin Clauß
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leid. Hier kann in den nächsten Stunden niemand weg. Die Speisen wollen aufgetischt sein, die Weinflaschen müssen geöffnet werden, der Tisch geputzt, das schmutzige Geschirr abgetragen …“
    „Ja, sie werden über das alles herfallen wie die Heuschrecken“, murmelte Katharina im Selbstgespräch, und dann, wieder lauter: „Meinetwegen. Da ich wohl kaum bis nach dem Bankett warten kann, werde ich mich selbst fertig machen. Würdest du dem Baron ausrichten, dass ich etwas später erscheinen werde?“
    Doch das Mädchen hatte sich bereits abgewandt und polierte eine Silbergabel, auf der jemand einen Fleck gefunden hatte.
    Katharina blieb stehen, und das Treiben wirbelte an ihr vorüber. Sie kam sich alleingelassen vor. Nicht einmal die Dienstboten halfen ihr. Die Gäste sahen an ihr vorbei, grüßten sie nicht einmal. Da sie weder frisiert noch ordentlich gekleidet war, tat man so, als existiere sie nicht.
    Aber so tat man ja schon die ganze Zeit. Sie war unbestritten die unwichtigste Person in diesem Haushalt. Wenn man den Pferdeknecht vierteilen würde, wäre jeder einzelne Teil von ihm noch wichtiger als sie.
    In der Menge erkannte sie Eugen. Seine hübsche helle Jacke ließ vergessen, dass seine Schuhe noch immer ein wenig schmutzig waren. Er sah verloren aus, doch ehe sie sich ihm durch die Menge nähern konnte, strömten einige der Damen schon auf ihn zu.
    Katharina drückte sich in den Schatten der Gäste in Richtung auf die Treppe zu und verschwand eilig nach oben. Dorthin, wo ein halbes Dutzend verschlossener Schränke auf sie warteten. Kleiderschränke, zu denen nur Lorenz den Schlüssel hatte.
    Am liebsten wäre sie den Abend und den ganzen nächsten Tag hindurch dort oben geblieben.

6
    „Zu malen ist nicht so schwierig, wie es aussieht. Die Farben führen den Pinsel von alleine an die Stelle, wo sie sich wohlfühlen. Wenn man sie lässt.“ Eugen hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und lächelte die beiden Frauen an, die es bereits geraume Zeit mit ihm aushielten. Die eine war eine sehr schöne und vornehme Dame, mit vollen Lippen und funkensprühenden Augen, wenn auch ihre Halspartie eine gewisse Reife verriet. Die zweite konnte man nicht gerade eine Aphrodite nennen mit ihrem viel zu großen Mund und der höckerigen Nase – allerdings hatte sie die Jugend auf ihrer Seite, und ihr reich gerundeter Körper war eine einzige Verlockung in dem tief ausgeschnittenen Kleid. Ein Perlencollier klackerte bei jedem Atemzug, den sie machte.
    „Es ist also wie mit den Füßen beim Tanz“, lächelte die ältere der beiden. „Irgendwie sind sie immer dort, wo sie sein müssen.“
    „Was man von den Händen nicht behaupten kann!“ Ein rotgesichtiger Mann war hinter Eugen aufgetaucht, hatte seinen Ellbogen auf die Schulter des Malers gelegt und seinen Kommentar in die Dreiergruppe hineingeprustet.
    „Sie müssen meinen Mann entschuldigen“, sagte die reifere Dame. „Wie Sie sehen, Herr von Degenhard, ist er in nüchternem Zustand in etwa genauso peinlich wie andere nach dem siebten Glas Wein.“
    Der Mann schlug Eugen mit brüllendem Lachen auf den Rücken. „Dafür schlafe ich nach dem siebten Glas Wein friedlich, wenn die anderen anfangen, sich zu blamieren.“
    „Achten Sie darauf, wie viel er trinkt“, meinte die Dame mit einem Augenzwinkern. „Wir sehen uns wieder nach dem siebten Glas, seinem siebten Glas – dann vollkommen ungestört.“
    Eugen mühte sich ab, um ein pflichtschuldiges Lachen zustande zu bekommen. Es dauerte, und er war nicht sicher, ob es echt, höflich oder wenigstens ansatzweise taktvoll klang.
    Der junge Maler entschuldigte sich mit einem Nicken und glitt durch die Reihen der hereinströmenden Menschen. Im Grunde war die Zahl der Anwesenden überschaubar – um die fünfzehn männliche Gäste, die meisten in weiblicher Begleitung, einige sogar mehrfach (Ehefrauen und Töchter?), dazwischen eine kleine Handvoll emsig arbeitender Dienstboten, ausschließlich Frauen. Die Enge der Räumlichkeiten, das Übermaß an Speisen und die ausladenden, prachtvollen Kleider der Damen ließen die Gruppe größer erscheinen, als sie war. Der Baron stand am anderen Ende des kleinen Saales und überwachte mit gestrengem Blick die Anordnung der Gerichte. Als er Eugens Blick auffing, winkte er ihn zu sich.
    Zunächst stellte Lorenz ihm seine beiden Söhne Wolfgang und Roland vor. Wolfgang war dem Baron wie aus dem Gesicht geschnitten, Roland dagegen hatte eine größere
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