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Der Blut-Mythos

Der Blut-Mythos

Titel: Der Blut-Mythos
Autoren: Jason Dark
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schneiden können.
    Wieder richtete ich meinen Blick nach vorn. Dort saß er. Es gab keine andere Möglichkeit. Es war die Gestalt, die ich auch in der Geisterbahn gesehen hatte.
    Er rührte sich nicht. Ich überlegte, ob ich mich durch ein Offenlegen des Kreuzes schützen sollte, ließ es allerdings blieben. Zudem ging ich davon aus, daß mir keine unmittelbare Gefahr durch diesen rätselhaften Chronos drohte.
    Marita mußte sich auf die Zehenspitzen stellen, um mir etwas ins Ohr zu flüstern. »Wir gehen jetzt zu ihm. Er hat dich schon erwartet. - Es ist wichtig.«
    »Für einen Vampir?«
    »Er ist nicht nur das. Er ist mehr. Er ist Chronos.«
    »Ein Zeit-Vampir vielleicht?«
    »Ein Mythos«, flüsterte sie. »Der jetzt Angst hat?«
    Marita hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich weiß zu wenig.«
    »Aber die Zukunft kannst du lesen, wie?« Da lächelte sie nur.
    Gemeinsam bewegten wir uns auf die wartende Gestalt zu. Dank des Teppichs sehr leise.
    Je näher wir kamen, um so stärker fiel mir ein bestimmter Geruch auf, der mir beileibe nicht fremd war. Es roch nach Blut! Nach altem Blut. Das war keine Täuschung, und die Wahrheit lag gewissermaßen auf dem Boden.
    Noch einige Federn irgendwelcher Tiere. Das Blut selbst war in Schalen und Eimern aufgefangen worden. Die meisten waren jetzt jedoch leer. Es zeichneten sich nur an den Innenseiten einige eingetrocknete Schlieren ab.
    Marita blieb stehen. »Du kannst zu ihm gehen. Dort steht ein Hocker. Du kannst dich setzen.«
    »Und was machst du?«
    »Ich warte.«
    »Hier im Wagen?«
    »Ja.«
    Ich blickte ihr noch in die Augen, entdeckte dort keine Hinterlist und vertraute ihr deshalb.
    Es war nicht mehr weit bis zu dem Geschöpf, das sich Chronos nannte. Er hockte in seinem Sessel wie ein uralter Mann. Erst jetzt fiel mir der kleine Tisch auf, dort stand die Lampe in Form einer Kerzenflamme und gab ihr weiches Licht ab.
    Der Hocker war ebenfalls vorhanden. Ich nutzte ihn als Sitzgelegenheit, wobei ich ihn zuvor so drehte, daß ich nicht nur Chronos anschauen, sondern auch zurück in den Wagen blicken konnte, wo Marita unbeweglich wie eine Statue wartete.
    Dann konzentrierte ich mich auf Chronos. Er hatte seine Gestalt tief in den Sessel hineingedrückt. Er saß dort wie ein Toter. Keine Bewegung, nicht mal ein Zwinkern seiner Augen. Aber er schaute mich an, und ich sah dieselben Augen wie in der Geisterbahn.
    Ich sah auch den Mund, die Zähne und die Haare, an deren Spitzen rostbraune Blutflecken klebten. Auch die Spritzer im Gesicht und das Blut um die dunklen Pupillen herum war noch vorhanden. Nichts hatte sich an ihm verändert, doch ich war ihm jetzt so nah, daß ich auch seine Kleidung sehen konnte.
    Er trug ein Gewand. Ebenso hell wie sein Gesicht sah es aus. Ein langer Umhang, unter dem nur die Hände hervorschauten, die er um die Lehnen des Sessels gekrallt hatte. Starr waren die Finger, als steckten sie voller Gicht. Wegen der langen Nägel verdienten sie beinahe schon den Begriff Krallen. Er sprach nicht. Es war für mich fraglich, ob er überhaupt sprechen konnte. Kein Zittern, kein Zwinkern der Augen, Chronos hockte eingepackt in seine Starre.
    Ich dachte noch über seinen Namen nach. Nie zuvor hatte ich ihn gehört. Aber er war auf der anderen Seite ein Mythos, das hatte ich auf meiner Fahrt in der Geisterbahn erfahren.
    Stellte sich die Frage, wie gefährlich dieser Mythos war. Chronos brauchte Blut, auch das hatte ich sehen können. Kein Menschen-, sondern Tierblut. Nur wollte ich mich darauf nicht verlassen, und wenn ich an die Besucher auf dem Rummel dachte, dann gab es für einen Vampir mehr als genug Nahrung.
    Er sagte nichts. Er bewegte sich auch nicht. Ich sah es als Aufforderung an, ihn anzusprechen. »Du hast mir eine Nachricht hinterlassen, und du hast mich über den Rummel geschickt. Ich bin hier, und jetzt sitzt ein Stummer vor mir. Kannst du überhaupt reden?«
    Während meiner Worte hatten sich seine Augen bewegt. Nach einem kurzen Zucken waren sie noch größer geworden. Er schien mich also verstanden zu haben.
    Jetzt war er an der Reihe, sich auf irgendeine Art und Weise zu melden.
    Das tat er auch. Langsam hob er die linke Hand. So schwerfällig, als litte er dabei unter starken Schmerzen. Die Finger bewegten sich nicht. Sie blieben in der gekrümmten Haltung, und es sah so aus, als wollte er nach etwas greifen.
    Wie eine starre Hühnerkralle blieb die Hand in der Luft hängen. Dann aber zuckten die Finger. Drei von ihnen krümmten
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