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Der Blut-Mythos

Der Blut-Mythos

Titel: Der Blut-Mythos
Autoren: Jason Dark
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bestimmt kein Zeuge. Der Junge verschwand so schnell, als wäre er in den Boden eingetaucht, und ich wartete zunächst einmal.
    Es war schon seltsam, aber die mich umgebenden Wohnwagen hielten tatsächlich einen großen Teil des Lärms zurück. Die Geräuschkulisse wirkte gedämpfter, auch wenn der Lärmpegel noch ziemlich hoch war.
    Der Rummel war nah, doch der Fleck, an dem ich mich aufhielt, war relativ einsam. In den Wohnwagen hielt sich wohl niemand auf. Die Männer und Frauen standen voll im Beruf, und gerade am Abend wurde jede Hand gebraucht. So war dieser Treffpunkt nicht ungünstig gewählt worden.
    Als ich das Knarren einer Tür hörte, drehte ich den Kopf. Von innen her war die Seitentür eines schlichten Wohnwagens aufgestoßen worden. Licht fiel nicht nach draußen, dafür malte sich der Schatten eines Menschen auf dem Boden ab. Wenn mich nicht alles täuschte, war es eine Frau.
    Es war tatsächlich eine Frau. Sie ließ die Stufen der kleinen Treppe hinter sich und blieb für einen Moment stehen. Dabei schaute sie in meine Richtung.
    Ich war im ersten Moment verärgert, denn das war nun wirklich nicht die Person, die ich erwartet hatte. Sie machte jedoch auf mich den Eindruck, als wollte sie mit mir sprechen, und sie nickte mir auch zu. »Gut, daß du hier bist.«
    Noch hielt ich Distanz und fragte: »Was wollen Sie?«
    »Ich - nichts.«
    »Dann kann ich ja gehen.«
    Beinahe hektisch schüttelte sie den Kopf. »Nein, nein, auf keinen Fall. Du sollst nicht gehen. Du mußt bleiben.«
    »Ich habe kein Interesse an Ihnen.«
    »Es geht nicht um mich.«
    »Aha. Um wen dann?«
    »Er wartet.«
    »Wer wartet?«
    »Wir nennen ihn Chronos.«
    Ich lachte leise. »Ein Gott der Zeit?«
    »Nein, er ist kein Gott. Aber er ist mächtig, sehr mächtig. Er will zu dir.«
    Der Fall fing an, noch rätselhafter zu werden. Ich überlegte, ob ich den Wohnwagen wirklich betreten oder die Gegend hier verlassen sollte. Aber wer den ersten Schritt tut, der sollte sich vor dem zweiten auch nicht scheuen, und so stimmte ich schon einmal durch mein Nicken zu.
    »Gut, ich werde kommen.«
    »Aber in den Wagen.«
    »Auch das.« Im Vorbeigehen stellte ich fest, daß die Fenster von innen verhängt waren. Trotzdem brannte Licht. Ein weicher Schein war hinter den Vorhängen zu sehen, wahrscheinlich Kerzenlicht.
    Ich ging so weit vor, bis ich die Frau erreichte und sie auch riechen konnte. Ein Geruch fremder Düfte umwehte sie. Wahrscheinlich eine exotische Gewürzmischung.
    »Wie heißen Sie?« fragte ich.
    »Ich bin Marita.«
    »Aha. Lebst du hier?«
    »Ja.«
    »Hast du auch etwas mit dem Rummel zu tun?«
    Sie nickte. »Ich spreche die Leute an und lese ihnen aus der Hand.«
    »Eine Wahrsagerin.« Ich lächelte die Frau an. Sie war noch sehr jung, vielleicht zwanzig. Mit ihren großen, dunklen Augen hätte sie eine Schwester des Jungen sein können, der mich hergebracht hatte. Sie trug eine bunte Bluse und einen langen, schwarzen Rock, der am Saum gekräuselt war. Die Füße steckten in flachen Schuhen.
    »Du glaubst mir nicht?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Möchtest du, daß ich dir aus der Hand lese?«
    »Vielleicht später. Wir sind ja bestimmt nicht allein, wie du schon sagtest.«
    »Komm, ich gehe vor. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Er will ja zu dir.«
    Sie drehte sich um und stieg die hölzerne Steige wieder hoch. Der Eingang war ziemlich schmal. Ich drückte mich etwas zur Seite und zog beim Eintreten den Kopf ein.
    Schon öfter hatte ich gewisse Zeiten in Wohnwagen verbracht, in schlichten, sehr einfachen, aber auch in Luxuswagen.
    Zu dieser Kategorie gehörte Maritas Wohnwagen nicht. Er war sehr schlicht eingerichtet. Hier stand ein Bett, da ein Tisch mit Stühlen, im Hintergrund ein Sessel.
    Es leuchteten keine echten Kerzen, sondern elektrische, und ihr weicher Schein verteilte sich in dem Wohnwagen.
    In einer Ecke saß jemand!
    Leider war das Licht zu schwach, deshalb konnte ich ihn nicht genau erkennen. Als ich vorgehen wollte, versperrte mir Marita den Weg.
    »Moment noch«, sagte sie und drückte die Tür zu.
    Jetzt war sie zufrieden. Im Gegensatz zu mir, denn über meine verschwitzte Brust rann ein warmer Schauer, und der wurde nicht vom Schein der Kerzen verursacht.
    Mein Kreuz hatte reagiert. Hier war etwas Böses, etwas Magisches, etwas Unheimliches.
    Ich hielt den Atem an. Versuchte allerdings, die Gerüche aufzunehmen, die den Raum beherrschten.
    Es roch exotisch, aber die Luft stand auch. Man hätte sie
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