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Der Bierzauberer

Der Bierzauberer

Titel: Der Bierzauberer
Autoren: Günther Thömmes
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schnelle Reaktion seines Vaters verhinderte, dass er seine einzige gute
Hose und sein einziges gutes Hemd total verdreckte.
    »Nun pass
doch auf, Niklas, und sag jetzt nur noch was, wenn du gefragt wirst!«
    Nachdem
sie etwa eine Stunde gewartet hatten, wurden sie zum Abt geführt. In dem Raum, den
sie jetzt betraten, fiel zuerst der ungeheuer große Tisch ins Auge. An einer Längsseite
saßen fünf Ordensbrüder, in der Mitte thronte ein Mann, der unschwer als der Abt
zu erkennen war. Nachdem Michael sich und Niklas vorgestellt und seine Bitte vorgetragen
hatte, durfte Michael sich setzen, Niklas musste stehen bleiben.
    Der Abt
Kilian musterte die Besucher. Er war für einen Abt, dazu der eines nicht unbedeutenden
Klosters, erstaunlich jung. Weder Michael noch Niklas hatten jemals zuvor einen
Abt gesehen, aber in der Vorstellung war die Würde des Amtes dennoch immer mit Alter
verbunden gewesen.
    Nun schaute
sie ein hagerer, schmaler Mann von etwa 40 Jahren mit intelligenten, lebhaften Augen
an. Obwohl er sich noch nicht von seinem prachtvoll geschnitzten Stuhl erhoben hatte,
konnte man sehen, dass er groß gewachsen war. Auch ohne Tonsur waren ihm nur wenige
Haare geblieben, sodass das ganze Gesicht von den Adleraugen dominiert wurde.
    »So, Michael
aus Hahnfurt, dann erkläre mir bitte einmal, warum dein Sohn Niklas in unsere Klostergemeinschaft
aufgenommen werden soll. Du weißt sicher, dass wir nicht jeden dahergelaufenen Bauernsohn
als würdig befinden; warum soll dein Sohn also würdig sein?«
    Michael
erzählte zuerst von sich und seiner Familie, von der harten täglichen Arbeit, den
fünf lebenden Kindern, verschwieg nicht die toten, betonte aber auch die Gottesfürchtigkeit
ihres Lebens und dass sie es ohne Bitterkeit ertrügen.
    Dann wendete
er sich zu Niklas und erzählte von dessen bisherigem Leben, er sei fleißig und aufgeweckt
und habe der Mutter schon seit fünf Jahren regelmäßig viel Arbeit abgenommen.
    Jetzt
blickte Kilian zu Niklas und fragte ihn:
    »Du weißt
bestimmt, dass neben der Arbeit für Gott ein jeder Bruder auch eine Arbeit für die
Gemeinschaft übernimmt. Um eine Arbeit gut zu machen, muss man sie aber gerne machen.
Gesetzt den Fall, wir würden dich in unsere Gemeinschaft aufnehmen, was ist die
Arbeit, die du am liebsten für deine Brüder oder mit deinen Brüdern machen würdest?«
    Niklas
schaute auf seinen Vater, um Zustimmung zum Antworten zu erhalten. Der Vater nickte
und Niklas sagte schüchtern nur vier Worte: »Bier brauen, ehrwürdiger Abt.«
    Zuerst
fiel ihm auf, dass hier im Kloster niemand lachte, als er seine Liebe zum Brauen
erklärte. Er schaute verlegen zu Kilian und sah ein Lächeln in dessen Gesicht.
    »Ich glaube,
Bruder Thomas könnte noch einen tüchtigen Lehrjungen brauchen«, sagte der Abt zu
dem Bruder, der neben ihm saß.
    Dann,
wieder an Michael gewandt:
    »Wir werden
es mit Niklas versuchen. Wenn der Junge so fleißig und folgsam ist, wie du sagst,
dann wird es ihm hier gut gehen. Sollten wir ihn ungeeignet finden, werden wir ihn
jedoch bald in dein Dorf zurückschicken. Du kannst wieder zurückkehren nach Hahnfurt,
der Junge soll hierbleiben.«
    Michael
und Niklas gingen zurück in den Hof, dort nahm Niklas kurz Abschied von seinem Vater,
den er lange nicht mehr sehen sollte. Der Vater verließ den Klosterhof durch die
Pforte, Niklas war allein. Sein erstes Ziel hatte er erreicht. Was würde die nächste
Zeit bringen?

DES BUCHES ZWEITER TEIL

Klosterbier oder
›Flüssiges bricht das Fasten nicht‹
     
     

     
     

1
     
    Die nächsten Monate waren
für Niklas ausgefüllter, als er es sich jemals hatte vorstellen können. Niemals
hätte er gedacht, dass man an einem Tag so viel arbeiten konnte.
    Seine
Einführung in das Klosterleben brachte er mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Aufregung
hinter sich. Er lernte viel Interessantes über die Anfänge des Klosterlebens, erfuhr
von Benedikt und Monte Cassino, St. Gallen, Bonifatius, Cluny, der Abtei Prüm und
dem Reformkloster Hirsau. Er hatte Glück. Sein Lehrmeister, Bruder Thomas, war tolerant
den anderen Orden gegenüber.
    Er sagte
immer wieder:
    »Wir alle
kämpfen für die gleiche Sache, nur mit anderen Mitteln. Wenn du älter bist, wirst
du dir selbst ein Bild machen können. Wir sind hier nicht so streng wie in Cluny,
wo die Brüder immer mit dem Kopf nicken müssen, wenn der Prior in der Nähe ist,
um ihm zu zeigen, dass sie nicht schlafen. Bei uns ist auch während des Gebets ein
Nickerchen
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