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Der Bierzauberer

Der Bierzauberer

Titel: Der Bierzauberer
Autoren: Günther Thömmes
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regelrechtes Labyrinth verwandelt hatten.
    Es gab
ungezählte Gänge, Treppenhäuser, Getreideaufzüge und -förderbänder, die die diversen
Keimkästen, Darren, Silos, Büros und Arbeitsräume miteinander verbanden. Viele waren
staubig und verdreckt und offensichtlich schon seit Längerem nicht mehr benutzt
worden.
    Es dauerte
eine Weile, bis wir, die neuen Auszubildenden, uns halbwegs zurechtfanden. Ich streifte
gerne alleine durch die Gemäuer und hoffte immer, etwas Neues zu entdecken. Am besten
ging es, wenn ich zum Silofegen abbestellt wurde.
    Eigentlich
war das todlangweilig, aber man konnte sich schnell und ungesehen im wahrsten Sinne
des Wortes aus dem Staub machen. Deshalb war dies, neben dem Entladen der Getreideschiffe
auf dem Rhein am frühen Morgen, meine Lieblingstätigkeit.
    Und eines
Tages gab es sogar die ideale Arbeitseinteilung: Fünf Uhr morgens Schiffe entladen,
wenn ich gegen elf Uhr mit dem großen Absaugschlauch fertig sein würde, sollte ich
noch etwa zwei Stunden auf dem Siloboden fegen und saubermachen, dann wäre Feierabend.
    Das Entladen
ging schneller als erwartet, um zehn Uhr fand ich mich bereits auf dem Dach wieder,
das die hohen Getreidesilos bedeckte und das nebenbei auch eine traumhafte Aussicht
über den Rhein bot. Nach der harten Arbeit beim Entladen hatte ich verständlicherweise
keine Lust mehr auf öde Fegerei.
    Ich hatte
mir schon ein abgelegenes Treppenhaus mit einigen Seitentüren ausgesucht, in dem
ich mich einmal etwas genauer umsehen wollte. Umso größer war meine Enttäuschung,
als ich alle Türen verschlossen fand. Ich wollte gerade zurück zu den Silos gehen,
um meine Sachen zu packen und ins Wochenende zu fahren, als ich noch eine kleine
Seitentür erblickte.
    Ich ging
hin, sie war nicht verschlossen! Die Tür klemmte ein wenig, mit einem kräftigen
Stoß konnte ich sie öffnen. Schnell ging ich hinein und machte die Tür hinter mir
zu.
    Es war
stockdunkel und die Luft roch abgestanden und leicht modrig. Nach einer Weile hatte
ich einen Lichtschalter gefunden. Ich stand in einem kleinen Raum, der wohl einmal
als Büro gedient haben mochte. Ein kleiner, alter Schreibtisch aus dunklem Holz,
dazu ein passender Stuhl, alles voller Staub und Spinnweben. Ein Kalender an der
Wand deutete mir an, dass dieses Büro zuletzt im Jahr 1928 benutzt worden war.
    Ich konnte
meine Neugierde kaum zurückhalten!
    Besonders
faszinierte mich von Anfang an das dritte Möbelstück im Raum, ein kleiner, hölzerner
Bücherschrank mit einer Glastür. Der Schlüssel steckte, und ich sah eine Reihe Bücher,
fast genauso verstaubt, aber ansonsten in gutem Zustand.
    Ich nahm
einen Stapel heraus und legte ihn auf den Tisch. Die ersten waren Rechnungsbücher,
von der Buchhaltung der Mälzerei aus früheren Jahren. Getreideeinkauf, Betriebskosten,
Personal, alles war hier verzeichnet.
    Als ich
den ersten Stapel zurück in den Schrank legte, fiel mir ein Buch ins Auge, welches
aus der Reihe herausragte, in Material und Größe war es nicht wie die anderen.
    Ein schwerer
Ledereinband, der wirklich alt aussah. Ein großes, umständliches Format, wie ein
altertümliches Rezeptbuch. Auf dem Ledereinband prangte ein großer Stern. Ein Stern,
wie ich ihn ansonsten als »Davidstern« kannte.
    Ich überflog
das Buch oberflächlich. Es war ein handschriftliches Manuskript, geschrieben in
einem, wie ich fand, beinahe unmöglich zu entziffernden, sehr altmodischen Deutsch,
aber einige wenige Passagen waren mit etwas Anstrengung durchaus lesbar.
    Einen
Teil des fein säuberlich und mit wenig Schnörkeln geschriebenen Textes konnte ich
als Latein entziffern. Die Qualität des Papiers war, obwohl völlig vergilbt, bemerkenswert
gut. Ich hatte keine Ahnung, wie alt es wirklich war, spürte jedoch schon, dass
dies etwas Besonderes sein musste.
    Bestimmt
das älteste Buch, das ich jemals in der Hand gehalten hatte. Während ich durch das
Buch blätterte, fielen einige einzelne Blätter heraus. Helleres Papier, in einer
anderen Qualität, Papier neueren Datums.
    Ich hob
sie auf, legte sie auf die Seite und schlug das Buch vorne auf.
    ›Dies
sind die Aufzeichnungen über die Profession der hohen Braukunst des Praxators Niklas
Hahnfurt, geboren im Jahre des Herrn 1248.‹
    Konnte
das wahr sein? Ein Buch aus dem Mittelalter, hier in der Mälzerei!
    Und sogar,
wenn es tatsächlich echt war, wie war es hierhin gekommen?
    Daher
nahm ich das Buch mit nach Hause und legte es einem Freund vor, der an der Universität
Trier
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