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Der Bierzauberer

Der Bierzauberer

Titel: Der Bierzauberer
Autoren: Günther Thömmes
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geschickt, für die
Armen. Obwohl Niklas’ Familie ebenfalls arm war, hatten sie doch stets etwas übrig
für die noch Ärmeren.
    Außerdem
wussten die Klosterherren sehr gut Bescheid über die Güte der Ernten und erwarteten
als selbstverständlichen christlichen Obolus mindestens ihren Zehnten.
    Der erste
Laib war fertig. Außen schwarz verkohlt, kam er aus dem Ofen, um Platz für den nächsten
zu machen. Die Mutter wusste genau, wie schwarz ein Brot sein musste, um innen genau
richtig gebacken zu sein. Niklas liebte es, die schwarze Kruste abzuschaben, um
von dem noch warmen Brot ein großes Stück abzubeißen.
    Getreide
und Wasser waren ihre Hauptnahrungsmittel. Für die Jüngeren gab es manchmal Milch,
für die Größeren Bier. Fleisch oder Geflügel kam so gut wie nie auf den Tisch, bisweilen
ein Huhn zu Weihnachten. Stattdessen gab es viel Brei oder Suppe aus Gerste, Hirse,
Hafer, je nachdem, was gerade geerntet wurde, meist eine Mischung aus Verschiedenem.
Selten mal mit etwas Gemüse oder Rüben darin.
    Gerade
wegen dieser Eintönigkeit liebte Niklas die Back- und Brautage, da gab es frisches
Brot, und er saß an der Quelle!
    Bis das
siebente Brot im Ofen verschwand, hatte Niklas mit seiner Mutter gemeinsam die anderen
acht Laibe vorgeformt. Ein wenig Teig war übrig geblieben und schon hatten sie eine
weitere, etwas kleinere Kugel geformt. Niklas fegte schnell den Boden, sammelte
die Körner auf, die heruntergefallen waren, und verklebte sie mit diesem Rest.
    Seine
Mutter hatte zeitig das Feuer unter dem großen Wasserkessel angefacht, den Niklas
nun geschwind auffüllen musste. Die ›Bierbrote‹ wurden nicht schwarz gebacken. Sobald
der erste Laib hellbraun war, nahm die Mutter das Brot aus dem Ofen.
    Niklas
nahm den heißen Brotlaib und riss ihn der Länge nach auf. Innen war ein matschiger,
unfertig gebackener Teig, den Niklas jetzt in den Zuber zurückschüttete. Die immer
noch weiche Kruste zerrieb er in kleine Stücke und warf sie dazu.
    Der heiße
Teig hatte ihm beim ersten Mal an den Händen gebrannt und ziemlich wehgetan, aber
nach ein paar Brau­tagen hatte es ihm nichts mehr ausgemacht.
    Als nach
etwa eineinhalb Stunden alle acht Brote wieder auf diese Weise in den Zuber zurückgekehrt
waren, nahm seine Mutter den Wasserkessel und schüttete das heiße Wasser zu den
matschigen Broten. Niklas fing erneut an zu rühren, bis er seine Arme nicht mehr
spürte.
    In der
Zwischenzeit füllte seine Mutter wieder etwas Wasser in den Kessel und gab einige
Kräuter hinzu. Was sie genau hinzugab, verriet sie niemandem, aber Niklas wusste,
dass es eine Mischung aus Wacholder, Eichenlaub und Laub und Rinde der Esche war.
    Einige
Zutaten erklärte sie, obwohl Niklas das meiste nicht verstand:
    »Wacholder
treibt den Harn und reinigt das Blut. Das Laub der Eiche hilft der Verdauung. Die
Esche mildert Leiden an Gicht und Rheuma oder Frauenleiden, verzehrt das böse Phlegma
im Menschen und erweicht die Milz.«
    Jedes
Haus hatte sein ganz eigenes Rezept. Sein Vater jedenfalls lobte ›sein‹ Bier immer
ganz besonders. Die Rezepte konnten in besonderen Fällen tüchtig abgewandelt werden.
Bier und die Kräuter darin wurden gegen fast alle Krankheiten eingesetzt. Nachdem
die Kräuter, die die Mutter in den Topf gegeben hatte, kurz aufgekocht waren, wurden
sie zum Sud dazugegeben.
    Nun vermischte
sich der herbwürzige, loheartige Geruch der Kräuter mit dem süßen, aromatischen
Duft des Brotes.
    Ein letztes
Umrühren, dann war die Arbeit getan; jetzt halfen nur noch Glück und Beten.
    Es hatte
in der späten Nacht ein Gewitter gegeben, das galt schon als gutes Omen. Niklas’
Mutter legte außerdem immer ein Brot auf den Zuber, nachdem dieser erkaltet und
abgedeckt worden war. Dieser Glücksbringer hatte sich in vielen Fällen bewährt.
    Bis jetzt
hatten sie gerade so viel schlechtes Sauerbier produziert, um nicht aufzufallen.
    Warum
ein Bier einmal gut geriet, ein andermal hingegen sauer wurde, davon hatte Niklas,
genau wie seine Eltern, keine Ahnung.
    Ebenso
wenig aber konnte er ahnen, dass kaum 30 Jahre später wahrscheinlich kein anderer
Mensch auf der ganzen Welt so viel vom Bierbrauen verstand wie er, der kleine, arme
Bauernsohn aus dem Fränkischen, der bis dahin ein wohlhabender Mann geworden war.
    Das Michaelisbier
gelang übrigens vortrefflich, und Niklas war mit seiner Mutter sehr stolz darauf.
Am stolzesten jedoch war sein Vater auf ›sein‹ Bier.

2
     
    Mit dem Tod Friedrichs II. im Jahre
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