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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Autoren: Stefan Aust
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Jahres auf der Oberschule entdeckte Baader den Reiz von Motorrädern. Auf einer gestohlenen Maschine raste er mit 120  Stundenkilometern durch den Englischen Garten. Er wurde beim Fahren ohne Führerschein erwischt und zu drei Wochen Jugendarrest verurteilt. Verkehrsdelikte waren fortan seine Spezialität. Er hat nie einen Führerschein besessen, jedenfalls keinen echten.
    Die Schule mußte Andreas Baader nun verlassen. Er war für »untragbar« erklärt worden. Mitschüler hatte er zum Motorraddiebstahl animiert, am Unterricht kaum noch teilgenommen oder ihn gestört.
    Er schrieb sich für kurze Zeit an einer privaten Kunstschule ein und versuchte sich als Werbetexter. Nachts bewegte er sich dort, wo sich Münchener Schickeria, Halb- und Unterwelt und schöne Künste begegneten.
    Arrivierte Homosexuelle zeigten sich gern mit dem aggressiven und exotischen Burschen, der sie seinerseits mit bösartigem Spott bedachte. Er deutete oft eine geheimnisvolle Herkunft an, irgendwo warte eine phantastische Zukunft und ein großes Erbe auf ihn.
    In den Cafés saß er mit denen zusammen, die eine große künstlerische Zukunft planten. Dem damals unbekannten Rainer Werner Fassbinder begegnete er oft. Fassbinder schrieb fünfzehn Jahre später zu seinem Terroristen-Film »Die dritte Generation«: »Ich schmeiße keine Bomben. Ich mache Filme.«

4. Der Sprung in die Illegalität
    Die Befreier Andreas Baaders hatten an jenem 14 . Mai 1970 , der als Geburtsstunde der RAF angesehen wird, für den Fall, daß etwas Unvorhergesehenes geschehe, die Wohnung einer Freundin Ulrike Meinhofs als Ausweichquartier vorgesehen. Sie war Schauspielerin und wohnte wenige Straßen vom Zentralinstitut entfernt. Allerdings hatte niemand sie vorher gefragt.
    Jetzt, da plötzlich Schüsse gefallen, ein Mensch schwer verletzt und aus dem geplanten Überraschungscoup ein Mordversuch geworden war, flüchteten die Akteure in diese Wohnung.
    Ulrike Meinhof klingelte an der Haustür. Die Freundin öffnete.
    »Wir brauchen deine Solidarität«, sagte Ulrike der völlig ahnungslosen Frau. Die Frau war dazu bereit.
    »So könnt ihr draußen nicht herumlaufen«, erklärte die 32 jährige Schauspielerin den Befreiern. Andreas Baader setzte sich auf den Klodeckel und ließ sich die Haare schneiden. Die Frauen wurden geschminkt und kostümiert. Ulrike Meinhof, die mit offenen Haaren und in Jeans und Pullover an der Aktion teilgenommen hatte, wurde in das feinste Kleidungsstück der Schauspielerin gesteckt, ein blaues Kostüm mit engem Rock, taillierter Jacke und weißer Bluse. Am Nachmittag sollte sie im Bus nach Charlottenburg fahren. Dort wollte sich die Gruppe in der Wohnung des Kabarettisten Wolfgang Neuss treffen, der mit einer Fotografin zusammenlebte, der Schwester von Ulrike Meinhofs Anwalt Kurt Groenewold. Beide waren die Erben eines Hamburger und Berliner Immobilien-Imperiums. Während die Polizei eine der größten Fahndungsaktionen der Nachkriegszeit einleitete, saßen fast alle Gesuchten in einer Wohnung, nur wenige hundert Meter entfernt von dem durch Polizei abgeriegelten Institut.
     
    In den Ermittlungsakten der Berliner Kriminalpolizei findet sich dazu ein höchst sonderbarer Vermerk vom 26 . Mai 1970 : »Dienstlich wurde hier bekannt, daß am 14 .  5 . 1970  – dem Tage der gewaltsamen Befreiung Baaders – in der Cunostraße in Berlin  33 , etwa in der Höhe des Grundstückes Nr.  107 , ein blauer VW -Käfer für kurze Zeit geparkt hatte. Es handelte sich um ein VW -Cabriolet mit Klappverdeck. Einem sich dem VW nähernden Alfa Romeo, der in unmittelbarer Nähe des VW hielt, entstiegen eine weibliche und eine männliche Person, die sich in den VW setzten und mit diesem in Richtung Kirchstraße weiterfuhren.« Die Personen seien in höchster Eile umgestiegen. Eine habe dem Fahrer zugerufen: »Schnell, wir müssen uns beeilen.« Die weibliche Person, so der Vermerk weiter, sei Ulrike Meinhof gewesen. Der VW -Fahrer sei als Matthias L. identifiziert worden. Kurze Zeit später wurde der Alfa Romeo wenige hundert Meter entfernt verlassen aufgefunden.
    Die Formulierung »Dienstlich wurde bekannt« heißt normalerweise soviel wie: »Das Landesamt für Verfassungsschutz teilte uns mit.« Das bedeutet: Verfassungsschützer waren in der Nähe des Befreiungsortes. Ihre Beobachtungen decken sich allerdings nicht mit den Erinnerungen von Beteiligten. Ulrike Meinhof hatte nicht in Astrid Prolls Alfa gesessen.
     
    Während Ulrike Meinhof in dem VW zur
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