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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Autoren: Stefan Aust
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Bushaltestelle gebracht wurde, blieb der Rest der Truppe in der Dahlemer Wohnung. Wie nach einer gelungenen Premiere wurde eine Flasche Sekt geöffnet. Baader klopfte dem ihm vorher unbekannten Schützen auf die Schulter: »Mann, ist ja gelaufen.« Doch der Mann war völlig fertig: »Hast recht«, antwortete er und schlug so hart zurück, daß Baader auf dem Fußboden landete. Das jedenfalls behauptete einer, der dabei gewesen war. Andere bestreiten die Schlägerei.
    Baader und seine Befreier hörten den Polizeifunk ab, nur der Schütze machte sich auf den Weg. Er packte zwei Kleinkaliber-Schnellfeuergewehre, die bei der Aktion nicht zum Einsatz gekommen waren, in einen Campingbeutel und nahm den nächsten Autobus. Am KaDeWe stiegen an die zwanzig Polizisten zu, um den Bus zu durchsuchen. Der Mann schaffte es, seinen Campingbeutel zu schultern und auszusteigen. Er ging die letzten Meter zu seiner Wohnung zu Fuß.
    Am Abend trafen sich die Befreier und der Befreite in einer Hinterhauswohnung. Bis auf Ulrike Meinhof waren alle versammelt. Die Stimmung war gut, schließlich war die Aktion gelungen. Daß ein Mensch dabei lebensgefährlich verletzt worden war, wurde weggewischt.
    Man diskutierte, wie es nun weitergehen sollte. Alle waren sich einig, daß die Gruppe Berlin so schnell wie möglich verlassen müsse. Auch wohin die Reise gehen sollte, war klar: in den Nahen Osten. Schon vorher waren Gespräche mit einem Vertreter der Palästinenser geführt worden, um Waffen zu beschaffen. Der hatte ihnen aber ausgerichtet, daß die Fatah vor irgendwelchen Waffenlieferungen auf einer militärischen Ausbildung in Jordanien bestehen würde. So wurden die Aufgaben für die nächsten Tage und Wochen verteilt. Einige sollten die Reise organisieren, andere die nötigen Papiere besorgen und umfrisieren.
    Am Abend traf ein Eingeweihter, der an der Aktion aber nicht beteiligt gewesen war, in einer Kneipe den Mann, der auf den Institutsangestellten Georg Linke geschossen hatte. Unter Tränen erklärte der Schütze immer wieder, daß er nicht habe schießen wollen. Es sei eine Kurzschlußhandlung gewesen, er habe aus Versehen statt der Gaspistole die scharfe Pistole abgefeuert.
    Inzwischen lief die Fahndung nach Baader und seinen Befreiern auf vollen Touren. Die Litfaßsäulen wurden mit einem Steckbrief von Ulrike Meinhof beklebt: »Mordversuch in Berlin. 10   000 ,–  DM Belohnung«. Aber Ulrike Meinhof blieb verschwunden – nicht nur für die Polizei. Auch in der Gruppe wußte zwei Tage lang niemand, wo sie war. Man machte sich Sorgen. Aber Überlegungen, Ulrike Meinhof könnte sich abgesetzt haben, wurden beiseite geschoben. Schließlich steckte sie in der Sache drin. Sie konnte nicht mehr aussteigen.
    Ein Freund Ulrike Meinhofs wurde beauftragt, festzustellen, bei wem sie Unterschlupf gefunden haben könnte. Nach mehreren vergeblichen Anläufen klingelte er an der Tür einer schwarzen Amerikanerin, Sympathisantin der »Black Panthers«, einer militanten Farbigen-Organisation in den USA . »Ist Ulrike hier?« fragte er.
    »No«, sagte die Amerikanerin.
    »Ich bin aber der Meinung, sie ist hier«, sagte der Besucher.
    Die Frau drehte sich um und ging in die Küche. Einen Augenblick später kam Ulrike zur Tür und ließ den Freund herein. Sie machte einen ziemlich aufgelösten Eindruck. Auf dem Küchentisch lagen die Zeitungen mit den Schlagzeilen über die Befreiung Baaders. Die beiden redeten eine Viertelstunde lang, dann sagte Ulrike: »Die anderen können mich hier abholen.« Sie ließ kein Wort darüber fallen, warum sie sich zwei Tage lang nicht gemeldet hatte. Am späten Abend wurde Ulrike Meinhof abgeholt.
    Alle zogen gemeinsam in eine Wohnung. Einige erledigten die notwendigen Besorgungen, während der engere Kreis der vordringlich von der Polizei Gesuchten zumeist zu Hause blieb. Dort wurde fast jeden Tag Kalbsbraten gegessen, denn Andreas Baader hatte immer noch unter den Folgen einer Gelbsucht zu leiden, die er sich Monate zuvor zugezogen hatte, und durfte nur leichte Speisen zu sich nehmen.
    Abends spielten die Frauen, Ulrike Meinhof, Ingrid Schubert und Irene Goergens, häufig Skat. Ulrike war eine gute Spielerin.
    Der Rechtsanwalt Horst Mahler war noch »legal«, doch auch er plante seinen Abgang in den Untergrund. Am S-Bahnhof Halensee traf er sich mit einem Anwaltskollegen, der viele Jahre später am Kabinettstisch der Bundesregierung sitzen sollte. Kurz darauf fuhr Astrid Proll ihn zum Ludwigkirchplatz, wo er
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