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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter
Autoren: Minette Walters
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Lüge bezichtigt. Sie hasste ihren Vater für das, was er ihr antat, sie hasste Sie, weil Sie sie im Stich ließen, und ganz sicher hasste sie Cill. Am Mittwoch verschrieb ein Arzt ihr Beruhigungsmittel gegen die Panikattacken, an denen sie litt.«
    »Aber wie soll sie das denn fertig gebracht haben?
    Sie war ein dünnes kleines Mädchen.«
    »Die mit einem Fleischermesser auf eine Frau losging, die vor ihr in den oberen Stock zu fliehen versuchte. Sie stach auf ihre Beine ein, als sie ihr nachlief.«
    Roy presste sich die geballten Fäuste in die Augenhöhlen. »Aber warum denn? Louise wusste nicht, dass Cill tot war. Sie hätte am nächsten Tag nach Hause kommen können, und alles wäre in Butter gewesen.«
    George schüttelte den Kopf. »So rational hat sie 716

    sicher nicht überlegt, aber sind Sie sicher, dass sie nicht von Cills Tod wusste – oder zumindest etwas ahnte? Wenn sie Sie beobachtet hat, wie Sie die Bladen Street hinaufgingen, wird sie gewusst haben, dass Cill Ihnen nicht entwischt war. Vielleicht sagten Sie auch an dem Montag etwas, was es ihr ermöglichte, zwei und zwei zusammenzuzählen?«
    Er starrte sie an. »Wollen Sie damit sagen, dass sie es nach dem Gespräch mit mir getan hat?«
    »Wir halten den Dienstag für wahrscheinlicher.
    Wenn sie einen zweiten Tag in der Schule geäch-tet wurde – was ja tatsächlich so war –, ist anzunehmen, dass Groll und Wut sie bis in den Abend verfolgten. Ihre Mutter war wütend, weil Jean Trevelyan sie auf der Straße angeschrien hatte, und ihr Vater war nicht weniger wütend, weil David Trevelyan ihm bei der Arbeit das Leben sauer machte. Vielleicht ist sie sogar zu Grace gegangen, um sich ein bisschen trösten zu lassen, und drehte durch, als diese kein Mitleid mit ihr hatte.«
    Wyatt bot Roy Trent noch eine Zigarette an. »Sie haben sie als ›penetrant‹ bezeichnet«, hakte er nach.
    »Was hat sie denn gesagt?«
    Roy Trent dachte nach. »Ich weiß, dass sie dauernd darauf herumhackte, dass ich in Cill verknallt wäre, denn das war’s, was mich in Wut gebracht hat«, erklärte er. »Die Kleine war schon tot, aber Lou konnte es einfach nicht lassen. Sie war wie besessen von Cill, sogar da noch. Ob ich Cill hüb-717

    scher fände. Ob ich Cill sexy fände. Am Ende hab ich gesagt, ich bring sie um, wenn sie nicht gleich die Klappe hält.« Er versank in ein finsteres, grüb-lerisches Schweigen.
    »Sie geht in ihrer Aussage sehr ins Detail«, bemerkte Wyatt. »Sie behauptet, sie hätte alles von Micky Hopkinson, er hätte es ihr kurz vor seinem Tod erzählt. Aber es ist erstaunlich genau für eine Geschichte, die ihr fünfzehn Jahre nach dem eigentlichen Vorfall berichtet wurde. Sie wusste von dem Taschentuch – dass Cill an den Händen gefesselt war – dass Micky ihr das Messer in den Rücken drückte – dass sie den ganzen Weg bis zum Neubaugebiet weinte – sie wusste davon, dass sie in einer der Gruben lag – und auch, dass Sie ihre Kleider in einer Mülltonne am anderen Ende der Stadt hatten verschwinden lassen.«
    Roy ließ den Kopf in seine Hände fallen. »Sie hätte uns folgen müssen, um das alles aus eigener Anschauung zu wissen … aber das hat sie nicht getan. Ich bin nicht dumm, Mr. Wyatt. Glauben Sie, ich wäre ihr nicht längst auf die Schliche gekommen? Glauben Sie, ich hätte mich jahrelang von ihr gängeln lassen, wenn die Möglichkeit bestanden hätte, dass sie Grace ermordet hatte?«
    »Hatte sie die Telefonnummer von Micky oder Colley?«
    Er zögerte. »Von Colley vielleicht. Mickys Eltern hatten kein Telefon.«
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    »Kann es sein, dass sie Colley angerufen hat?«
    »Vielleicht – aber das lässt sich heute nicht mehr überprüfen. Er hat alles vergessen.«
    »Wann haben Sie sie das nächste Mal gesehen?«, fragte George.
    »Nachdem sie sich mit Micky zusammengetan hatte. Ich habe sie sofort erkannt. Sie hatte ihr ganzes Aussehen verändert, aber ihre Augen konnte sie nicht verändern.«
    »Nannte sie sich Priscilla?«
    »Damals noch nicht. Damals hieß sie Daisy. Sie ist erst ungefähr drei Jahre nach der Hochzeit mit Micky auf Priscilla umgestiegen.«
    »Hat sie einmal erklärt, warum sie gerade diesen Namen wählte?«
    Er rührte mit dem Zigarettenstummel in der Asche herum. »Er gefiel ihr besser als Daisy und Louise.« Er überlegte einen Moment. »Das heißt, ich glaube, sie sagte, Micky gefalle Priscilla besser als Daisy oder Louise, und wahrscheinlich ging es ihr genauso. Sie war immer überzeugt, dass keiner von uns
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