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Der Aurora Effekt

Titel: Der Aurora Effekt
Autoren: Rainer Wolf
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herrlich und Winter tankte neue Energie. Er putzte sich mit einer Serviette den Mund ab und wollte gerade schon wieder den Starbucks verlassen, als er neben sich ein bekanntes Gesicht sah, das Ihn auffordernd anlächelte.
    »Nein, das glaub ich jetzt nicht, bist du es wirklich?«, fiel Winter fast die Kinnlade herunter.
    »Mensch, du hast Dich ja aber auch gar nicht verändert«, antwortete der im schwarzen Armani-Anzug neben ihm stehende, die grauen Haare mit Gel nach hinten gestriegelte, mittelgroße Stefan Schneider. Er sah älter aus als der gleichaltrige Winter mit seinen sechsunddreißig Jahren.
    »Das ist ja mindestens fünfzehn Jahre her, das wir uns zuletzt gesehen haben.« Winter war immer noch voller Staunen, dass er gerade um diese Uhrzeit seinen alten Schulfreund hier traf. Jahrelang gingen sie durch dick und dünn und hatten sich gegenseitig mit ausgeklügelten Mogeltricks durch das Abitur gerettet. Nun stand der Freund vor ihm, den er die letzten Jahre so völlig von seinem Radar verloren hatte.
    »Stefan, was machst du denn hier in der Gegend, ich dachte du arbeitest irgendwo in Frankfurt an der Börse?«, fragte Winter.
    »Frankfurt ist Geschichte, ich bin schon seit fünf Monaten hier in Hamburg. Wichtige Geschäfte. Ich mach hier jetzt die ganz große Kohle«, kam es großspurig von Schneider zurück.
    Seine Gesichtszüge sahen müde aus und die Falten um seine Augen zeugten von einem rastlosen, aufreibenden Lebensstil, den Schneider über die Jahre führte. Winter erinnerte sich. Schon damals kam er als erster mit einem Porsche zur Schule, den er sich durch den Verkauf von aus Fernost importierten Spielautomaten selbst verdient hatte. Alle waren damals neidisch auf ihn gewesen und die Mädchen ihrer Jahrgangsstufe flogen förmlich auf ihn. Nach dem Abitur hatten sie sich aus den Augen verloren. Schneider ging nach Frankfurt zu einer Bank und wollte dort das ganz große Geld im Börsengeschäft machen. Das letzte, was Winter noch von ihm mitbekam in den ständig weniger werdenden Telefonaten, die sie Anfangs noch führten war, dass er wohl einen dicken Treffer an der Börse gelandet hatte und den Porsche gegen einen Ferrari Testarossa getauscht hatte. Danach schlief der Kontakt langsam ein. Noch ein zwei Anrufe in immer größeren Abständen und dann gar nichts mehr.
    »Und Du, bist du endlich in einer Werbeagentur gelandet wohin du immer wolltest? Du hast ja damals in der Schule schon immer die Tafeln mit Karikaturen der Lehrer geschmückt«, kicherte Schneider und räusperte sich mit dem für Raucher typischen Brüllhusten.
    »Ja, ich arbeite hier gleich um die Ecke«, sagte Winter, der sich jetzt etwas unbehaglich fühlte angesichts der einnehmenden, selbstgefälligen Art des Schulfreundes, der anscheinend die große Karriere gemacht hatte, während er sich in der Agentur mit den anspruchsvollen Kunden über die richtig abgestimmte Farbwahl für die nächste Firmenbroschüre streiten durfte.
    Winter blickte verstohlen auf die Uhr und erinnerte sich wieder an die bevorstehende Präsentation.
    »Sag mal, hast du Familie?«, fragte Schneider plötzlich.
    Ein Stich fuhr durch Winters Herzgegend. »Leider nein, ich bin seit einem Jahr von meiner Frau getrennt.«
    »Auch gut, dann kann man das Leben wenigstens in aller Ruhe genießen«, versuchte Schneider einen Witz zu reißen und merkte schnell, das dieser bei Winter nicht auf die gewünschte Wirkung stieß. Schnell sagte er »Hey alter Freund, wenn du mal jemanden zum Quatschen suchst, ruf mich doch einfach an, dann gehen wir mal ein Bier zusammen trinken«, und zückte sogleich seine Visitenkarte, die Winter mit einem flüchtigen Blick darauf entgegennahm.
    »Danke, ich komme gerne drauf zurück. Dann können wir die guten alten Zeiten mal wieder etwas auffrischen. Du, ich muss leider jetzt los, die Arbeit ruft.«
    »Ok, aber lass dir nicht zulange Zeit, ich will nicht noch mal fünfzehn Jahre auf Dich warten«, sagte Schneider und hob sein Kinn mit dem Dreitagebart etwas an.
    Sie verabschiedeten sich und Winter begab sich rasch auf den Rückweg. Wieso sollte er ihn nicht solange warten lassen, schließlich hatte sein Freund damals den Kontakt einschlafen lassen, schoss es ihm durch den Kopf.
    »Guten Morgen!«, sagte jemand mit belegter Stimme von links. Eine zahnlose alte Frau, jenseits der achtzig, schaute aus dem Fenster und beäugte ihn interessiert. Ihre Augen leuchteten ihn an und irgendetwas pelziges, schnurrendes schob sich unter ihrem
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