Der Augenblick der Wahrheit
aber heute kann sich dahinter auch eine große Villa aus Stein außerhalb der Stadt verbergen, die sehr reichen Leuten gehört. Früher hielt sich die Parteielite dort auf, aber jetzt ist die Gegend in privaten Händen und von, wie soll ich sagen, geschäftstüchtigen Menschen bebaut worden, die ihre Ruhe und ein Maximum an Sicherheit haben wollen.
Können Sie mir folgen?«
»Ich kann Ihnen folgen«, sagte ich, und er fuhr im selben neutralen Tonfall fort.
»Das Objekt hat Probleme. Es hat in den letzten Tagen versucht, einen Scheck zu wechseln und mit Visa, Eurocard und American Express Geld abzuheben, aber die Karten sind gesperrt. Das Objekt ist jedesmal sehr wütend geworden. Aber es hat noch Bargeld und benutzt es. Das Objekt geht ab und zu aus, bleibt aber meist in der Villa. Es trinkt zuviel und streitet sich viel mit der Frau. Sie schlafen zusammen, obwohl jeder sein eigenes Schlafzimmer hat. Das glauben wir jedenfalls.«
»Wissen Sie, wer die Frau ist?« fragte ich.
Schuganow legte die Fotos beiseite und sagte: »Ihre Identität zu checken gehörte nicht zum Auftrag, aber wir wissen, was sie im Moment in Moskau für eine Rolle einnimmt.«
»Und zwar?«
»Sie ist reich. Es ist ihr Haus, und ich weiß, wem sie es abgekauft hat. Sie hat Beziehungen zum Kulturministerium. Das bedeutet, daß sie in Rekordzeit als Kunsthändlerin zugelassen wurde. Sie ist autorisiert, russische Kunst zu kaufen, zu verkaufen und zu exportieren. Auch was älter als fünfzig Jahre alt ist. Diese Genehmigung hat sie einiges gekostet, was sie aber leicht wieder in bare Münze umsetzen kann. Unser Land betreibt einen Ausverkauf an Werten. Auf die eine oder andere Weise.
Das kann man beklagen, oder man sorgt dafür, seinen Anteil am Kuchen zu bekommen. So gesehen ist es egal. Ich konstatiere nur die Realität. Früher hat Lenin in dieser Stadt gesprochen.
Nun spricht das Geld. Beide besaßen zu ihrer Zeit die Schlüssel zur Macht, und wenn man die hat, kann man im allgemeinen machen, was man will.«
»Wie nennt sie sich?« fragte ich.
»Svetlana Petrowna. Sie ist erfolgreich. Sie hat schon Zugang zu präsidentennahen Kreisen, weshalb sie als unantastbar betrachtet wird. Ich habe den Eindruck, sie ist eine Frau, die Sand in der Sahara verkaufen könnte.«
»Oder Schnee in Moskau«, sagte ich.
Ich schaute mir die Fotos der nun schwarzhaarigen, nach wie vor schönen Lola an und ihren verächtlichen Blick auf Oscar im Schnee vor der Villa. Glorias Fangarme reichten weit, und manches deutete darauf hin, daß Oscar von der guten Lola finanziell abhängig war, und einem solchen Zustand war ihre merkwürdige Beziehung wohl nie ausgesetzt gewesen. Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis er bei ihr um Taschengeld würde betteln müssen. Oscar fühlte sich nicht sehr wohl in der Rolle des Abhängigen.
»Es sieht wie ein sehr neues Haus aus, Mr. Schuganow. Hat sie es selbst gebaut?«
»Alle diese Häuser in der Umgebung von Moskau sind neu, Mr. Lime«, sagte Schuganow und betrachtete die Farbfotos.
»Dieses hier ist für den Direktor einer der ersten Privatbanken erbaut worden. Anscheinend hatte er Verbindungen zur Mafia.
Und offenbar waren seine Geschäftspartner mit der Zusammenarbeit unzufrieden. Auf jeden Fall wurde er vor seiner Bank erschossen. Dann wurde die Villa von einem Jungen von zweiundzwanzig Jahren übernommen, der mit seinen zwei Frauen und vierzehn Leibwächtern einzog.
Nebenbei bemerkt hat er den Swimmingpool eingerichtet. Der Junge war ein sehr populärer Producer und Entertainer im neuen Privatfernsehen, aber seine beiden Frauen waren sich nicht einig, welche von beiden er am meisten liebte, also brachten sie ihn um. Machten ihn besoffen und koksten ihn zu und ertränkten ihn in seinem eigenen Pool.«
»Was für ein Haus«, sagte ich.
»Das ist Rußland«, sagte Schuganow und fuhr fort: »Der Besitzer vor Madame Petrowna war ein bekannter Mafioso, der die Gemüsemärkte in Moskau kontrollierte. Auch er hatte Probleme mit seinen Geschäftspartnern. Eines Tages verschwand er spurlos, und keiner hat seither von ihm gehört.
Madame Petrowna kaufte das Haus über einen Strohmann, den ich kenne. Sie bekam es billig, und andere Käufer erhielten einen Wink, lieber zu verzichten.«
»Wer war der Strohmann?«
Schuganow guckte mich an. Aus seinen seltsam toten Augen konnte ich nichts lesen. Er goß uns noch einen Wodka ein und sagte dann: »Diese Auskunft bin ich Ihnen zwar nicht schuldig, aber Derek ist ein
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