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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm
Autoren: Robert Jordan
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um zu töten. Es war ein Ding, das sie stets als Aberglauben abgetan hatte.
    Sie griff die Kreatur an, schlug deren breites Schwert zur Seite. Dann warf sie sich herum, nahm die Stellung Schlag die Büsche ein und trennte der Bestie den Arm von der Schulter. Sie schlug erneut zu, und der Kopf folgte dem Arm zu Boden. Das Ungeheuer taumelte und brachte irgendwie noch drei Schritte zustande, bevor es zusammenbrach.
    In den Bäumen raschelte es, noch mehr Äste brachen. Von ihrem Hügel aus sah Tylee, dass Hunderte dieser Kreaturen aus dem Unterholz hervorgebrochen waren und die Linie ihrer Männer in der Mitte angriffen und Chaos verursachten. Immer mehr Ungeheuer kamen zwischen den Bäumen hervor.
    Wie hatte das passieren können? Wie hatten diese Dinger nur so nah an Ebou Dar herankommen können? Sie waren tief im Verteidigungsring der Seanchaner, nur einen Tagesmarsch von der Hauptstadt entfernt.
    Tylee raste den Hügel hinunter und brüllte nach ihrer Ehrenwache, während noch mehr von den tobenden Bestien hinter ihr zwischen den Bäumen hervorkamen.
    Graendal lungerte in einem steinernen Raum voller sie bewundernder Männer und Frauen herum, von denen jeder ein perfekter Vertreter seiner Rasse war und kaum mehr als eine Robe aus durchsichtigem weißen Stoff trug. Im Kamin prasselte ein warmes Feuer und beleuchtete einen prächtigen blutroten Teppich. In den Teppich waren die Abbildungen ineinander verschlungener junger Frauen und Männer gewebt, deren Stellungen selbst erfahrene Kurtisanen hätte erröten lassen. Die offenen Fenster ließen die Nachmittagssonne herein; die luftige Position ihres Palastes gab einen Ausblick auf die Kiefern und den schimmernden See in der Tiefe.
    Graendal nippte an dem Süßdornsaft. Sie trug ein hellblaues Kleid im Domanischnitt - diese Mode gefiel ihr immer mehr, obwohl ihr Gewand bedeutend dünner als die der Allgemeinheit war. Diese Domani waren viel zu sehr von einem Flüstern angetan, wo sie einen hübschen scharfen Schrei bevorzugte. Sie nahm noch einen Schluck Saft. Welch einen interessanten sauren Geschmack er doch hatte. In diesem Zeitalter war er exotisch, wuchsen die Bäume doch nur noch auf fernen Inseln.
    Ohne Vorwarnung öffnete sich in der Mitte des Raumes ein Wegetor. Sie fluchte lautlos, als eines ihrer kostbarsten Besitztümer - eine üppige junge Frau namens Thurasa, eine Angehörige des Kaufmannsrates der Domani - durch das Ding beinahe einen Arm verlor. Das Wegetor ließ eine schwüle Hitze herein, die die perfekte Mischung aus kühler Bergluft und Kaminwärme, die sie kultiviert hatte, störte.
    Graendal bewahrte die Fassung und zwang sich, sich auf dem plüschigen Samtstuhl zurückzulehnen. Ein Bote in Schwarz schritt durch das Portal, und sie wusste, was er wollte, bevor er einen Ton von sich gegeben hatte. Allein Moridin wusste, wo sie zu finden war, jetzt, da Sammael tot war.
    »Meine Lady, Eure Anwesenheit wird erwünscht ...«
    »Ja, ja«, sagte sie. »Steh gerade und lass dich ansehen.«
    Der Junge stand still, keine zwei Schritte vor dem Tor. Was war er doch für ein attraktiver Bursche! So helles Blondhaar, das so selten in vielen Teilen der Welt war, grüne Augen wie moosbewucherte Teiche, eine geschmeidige Gestalt, die gerade genug Muskeln hatte. Graendal schnalzte mit der Zunge. Wollte Moridin sie in Versuchung führen, indem er seinen hübschesten Burschen schickte, oder war das ein Zufall?
    Nein. Bei den Auserwählten gab es keine Zufälle. Beinahe hätte Graendal mit der Einen Macht einen Zwang gewebt, um den Jungen für sich zu beanspruchen. Aber sie hielt sich zurück. Hatte ein Mann erst einmal mit einem Zwang von dieser Stärke Bekanntschaft gemacht, konnte man ihn unmöglich zurückgewinnen, und das würde Moridin womöglich verärgern. Sie musste auf seine Launen aufpassen. Der Mann war noch nie stabil gewesen, nicht einmal in den frühen Jahren. Wenn sie es eines Tages zur Nae'blis bringen wollte, war es wichtig, ihn nicht zu reizen, bis der Zeitpunkt zum Zuschlagen gekommen war.
    Sie verbannte den Boten aus ihren Gedanken - wenn sie ihn nicht haben konnte, dann war sie auch nicht an ihm interessiert - und schaute durch das offene Tor. Sie hasste es, wenn sie gezwungen wurde, sich mit einem der anderen Auserwählten zu dessen Bedingungen treffen zu müssen. Sie hasste es, ihre Festung und ihr Spielzeug zu verlassen. Aber vor allem hasste sie es, vor jemandem kriechen zu müssen, der ihr Untergebener hätte sein müssen.
    Daran war nichts
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