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Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt

Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt

Titel: Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
Autoren: Ellis Peters
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weder Kenntnis davon hätte, was in dem Brief stand, noch wüßte, für wen er bestimmt war. Das traf zu, ich hatte selbst keine Kenntnis davon, doch wußte ich, wer ihn meinem Onkel gebracht hatte und daß er dem Handschuhmacher übergeben werden sollte. Aber als Ivo mir den Brief abverlangte und ich Zeit zu gewinnen suchte, indem ich ihn fragte, was an einem Brief so wichtig sein könnte, sagte er mir, was er darin zu finden erwartete. König Stephens Königreich stehe auf dem Spiel, sagte er, und der Gewinn, der dem Mann zufallen werde, der ihm das Mittel in die Hand gebe, seine Feinde zu vernichten, möchte wohl eine ganze Grafschaft ausmachen. Er sagte, die Freunde der Regentin drängten den Grafen von Chester, auf ihre Seite zu treten.
    Aber er werde sich nicht festlegen, solange er nicht wisse, welche anderen Verbündeten sie für ihre Sache aufbieten könnten, und die Liste dieser Verbündeten sei Inhalt des Briefes, um ihm klarzumachen, daß er gut daran tue, sich auf ihre Seite zu schlagen.
    Er sagte, es möchten bis zu fünfzig Namen sein, die Namen all jener, die sich insgeheim der Regentin angeschlossen hätten, vielleicht sogar der Tag, an dem Robert von Gloucester sie nach England bringen wolle, und der Hafen, wo sie landen würden. All diese im Voraus der Vergeltung des Königs preisgegeben, ihr Leben und ihre Länder verloren, sagte er, und der Graf von Chester, der so weit gegangen war, sich auf diese Verhandlungen einzulassen, mit ihnen zu Boden geschmettert! Wenn er, Corbiere, dem König anbieten könne, all diese geheimen Gegner preiszugeben und der Verurteilung auszuliefern, werde er seinen eigenen Preis dafür verlangen und bekommen. Das sagte er mir. Das weiß ich nicht aus eigener Kenntnis, doch bin ich überzeugt, daß es die Wahrheit war.«
    Sie befeuchtete die Lippen und fügte hinzu: »Ich kenne König Stephen nicht und kann mir kein Urteil darüber erlauben, was er tun würde, aber ich erinnere mich, was er im vergangenen Sommer hier tat. Ich sah all diese Männer, so aufrichtig in ihrer Untertanentreue wie jene, die es mit dem König halten, in den Kerker geworfen, ihr Leben verwirkt, ihre Familien der Häuser und Ländereien enteignet, manche zur Flucht in die Fremde gezwungen... Ich sah Tod und Rache und noch mehr Bitternis, sollten die Gezeiten wieder wechseln. Darum tat ich, was ich tat.«
    »Ich weiß, was Ihr tatet«, sagte Bruder Cadfael. Er verband den heilenden Beweis dafür.
    »Trotz allem bin ich nicht sicher, ob ich recht handelte und aus den rechten Gründen«, beharrte sie ernst. »König Stephen bewahrt wenigstens eine Art Frieden, wo sein Wort gilt. Mein Onkel war ein entschiedener Anhänger der Regentin, aber wenn sie kommt, wenn all jene, die auf ihrer Seite stehen, sich mit ihr in Auflehnung vereinigen, wird es nirgendwo Frieden geben. Wohin ich auch schaue, sehe ich Tote. Aber als ich Ivo gegenüberstand, konnte ich nur daran denken, daß ich ihn daran hindern müsse, durch seinen Verrat und seine Mordtaten zu gewinnen. Und es gab nur eine Möglichkeit, indem ich den Brief zerstörte. Seitdem habe ich mir Gedanken gemacht... Aber ich denke jetzt, daß ich zu meiner Tat stehen muß.
    Wenn es Kämpfe und Tote gibt, dann soll es nach Gottes Willen geschehen, nicht nach den Plänen ehrgeiziger und schlechter Menschen. Die Leben, die wir nicht retten können, wollen wir wenigstens nicht zerstören helfen. Glaubt Ihr, daß ich recht handelte?
    Ich wünschte die Meinung eines anderen zu hören, und es soll Eure sein.«
    »Da Ihr schon fragt, was ich denke«, entgegnete Cadfael, »ich denke, mein Kind, daß Ihr, falls Narben an den Fingern dieser Hand bleiben, diese Euer Leben lang tragen müßt wie Juwelen.«
    Ihre Lippen öffneten sich in einem überraschten Lächeln. Sie schüttelte den Kopf in beharrlichem Zweifel. »Aber Ihr dürft Philip niemals davon erzählen«, sagte sie mit plötzlicher Dringlichkeit und ergriff seinen Ärmel mit der unversehrten Hand. »Wie ich es ihm niemals sagen werde. Laßt ihn glauben, daß ich so unschuldig sei wie er selbst...« Sie runzelte die Stirn über das Wort, das nicht ganz auszudrücken schien, was sie gewollt hatte, aber sie konnte keines finden, was ihr geeigneter erschien. Wenn es nicht Unschuld war, was sie meinte - denn wessen war sie schuldig? - , war es Einfachheit, Klarheit, Reinheit? Keiner dieser Begriffe erschien ihr geeignet.
    Vielleicht würde Bruder Cadfael es nichtsdestoweniger verstehen.
    »Ich fühlte mich
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