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Der Atem der Apokalypse (German Edition)

Der Atem der Apokalypse (German Edition)

Titel: Der Atem der Apokalypse (German Edition)
Autoren: Sarah Pinborough
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untertauchen. Die suchen doch alle nach Ihnen.«
    Cass antwortete nicht. Es war klar, dass Dr. Cornell von seinen Problemen wusste – bei den vielen Zeitungen im Flur.
    »Wonach suchen Sie denn in dem ganzen Kram?«, fragte er.
    »Nach Informationen.« Dr. Cornell winkte ihn links vom Flur in ein Zimmer und räumte weitere Dokumente von einem Sessel, damit Cass sich setzen konnte. Während er einen weiteren Stuhl für sich selbst von Papierstapeln befreite, betrachtete Cass die überbordende Menge an Büchern und Dokumenten, in denen es um Naturkunde, Geografie, Astronomie, Astrologie und Religion bis zur Geschichte der Christenheit ging. Einige waren so alt, dass die Titel nicht mehr lesbar waren. Dazu kamen Ordner mit handgeschriebenen Etiketten: New York, Syrien, Naher Osten, Moskau. Auf dem schäbigen Etikett des dicksten Ordners war das getippte Wort London mehrfach mit Filzstift unterstrichen. Doch die andere Wand war noch interessanter, denn hier starrte Cass auf Fotos und Zeitungsausschnitte, die mit Stecknadeln, Tesafilm und Heftzwecken befestigt waren. Es war kaum noch ein Fetzen Tapete frei.
    Konnte das sein? Cass stand auf und sah genauer hin; richtig, auf einem Foto waren Mr Bright und Mr Solomon zu sehen, wie sie auf einer Startbahn nebeneinander hergingen. Sie trugen Seitenscheitel und hatten das Haar mit Pomade nach hinten gekämmt. Ihre Anzüge waren so lässig geschnitten, dass er das Foto in die 1940er Jahre datieren konnte. Die beiden Männer hatten die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich angeregt.
    Cass überflog die anderen Ausschnitte. Darin ging es in einer anscheinend willkürlichen Mischung um politische, wirtschaftliche und kriminelle Neuigkeiten von der Gründung Der Bank bis zu alten Meldungen, etwa über die Morde von Jack the Ripper. Dr. Cornell glaubte doch nicht im Ernst, dass das Netzwerk hinter all diesen Dingen steckte?
    Auf anderen Fotos waren Männer zu sehen, die Cass nicht kannte, aber eines von Mr Bright und einem anderen Mann war in New York aufgenommen worden, möglicherweise in den Sechzigern. Außerdem fand er ein uralt anmutendes Foto vom Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts, auf dem Mr Bright und Mr Solomon einen großen breitschultrigen Mann mit dunklen Haaren in die Mitte nahmen. Cass fand ihn trotz seines alternden Gesichts und der körnigen Bildqualität sehr attraktiv. Die drei lachten in die Kamera, als hätte gerade jemand den Witz des Jahrhunderts erzählt. Cass runzelte die Stirn. Wer waren die Männer?
    »Das war 1854 bei der Eröffnung der Londoner Börse. Sie war erst kürzlich wieder aufgebaut worden«, erklärte Dr. Cornell, als hätte er Cass’ Gedanken gelesen. »Den in der Mitte habe ich seit Jahren nicht gesehen, ungefähr seit der Jahrhundertwende.« Er stand so dicht neben Cass, dass dieser die Minze in seinem Atem riechen konnte. Immerhin putzte er sich die Zähne.
    »Um den geht es aber, er ist die Schlüsselfigur – der Anführer, wenn sie denn einen haben. Mittlerweile ist Castor Bright anscheinend in seine Schuhstapfen getreten. Mit den Fotos ist es nicht mehr so einfach. Ich gehe kaum noch vor die Tür. Und sie sind vorsichtig geworden.« Stuart Cornells Auge zuckte. Er holte eine Flasche und zwei Gläser hinter einem Stapel flacher Ordner hervor und schenkte Cass und sich ein.
    »Sie wollen mir meine Papiere wegnehmen. Mein Beweismaterial. Sie behaupten immer, sie kämen von der Stadtverwaltung, aber so leicht lasse ich mich nicht täuschen.« Der alte Mann tippte sich an die Nase.
    Das Glas sah sauber aus und Cass hatte sicher genug Antibiotika im Blut, um es mit allen möglichen Bakterien aufzunehmen. Er
brauchte
den Drink, er bekam kaum noch Luft. Endlich hatte er jemanden getroffen, der ebenfalls von Mr Bright und seiner seltsamen Aura wusste. Er trank einen großen Schluck Whisky. Was hätte Dr. Cornell dazu gesagt, wenn er bei Mr Solomons Tod dabei gewesen wäre? Wahrscheinlich wäre er endgültig irre geworden.
    Cass musterte den alten Mann. Seine Augen hatten kein Leuchten, nicht einmal einen Funken Silber wie Hayley Porters Mutter. Was auch immer die goldenen und silbernen Lichter zu bedeuten hatten, in Dr. Cornells Leben spielten sie keine Rolle.
    Sie wollen mir meine Papiere wegnehmen
. Cass glaubte zu wissen, wen der Professor mit
sie
meinte: dieselben
sie
wie sein Bruder Christian auf dem Brief, den er Cass hinterlassen hatte. SIE haben Luke.
Sie
waren das Netzwerk. Egal welche Wendung das Leben nahm – es lief
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