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Der Atem der Angst (German Edition)

Der Atem der Angst (German Edition)

Titel: Der Atem der Angst (German Edition)
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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zusammen«, befahl ihr Lukas plötzlich, » und hau ihn raus!«
    » Wozu, Blödi? Wozu muss ich immer allein mit allem klarkommen?«
    » Du hast doch mich.«
    » Soll das ein Witz sein?« Maya lachte verächtlich auf. » Kein Mensch lebt mit einem Teddy zusammen. Ich will endlich auch mal ein normales Leben führen. Wie die da unten. Ich will in den Supermarkt gehen. Ich will zum Zahnarzt. Ich will zurück in mein Zimmer. An unseren Esstisch. In die Badewanne. Ich will Cornflakes.«
    Schon wieder zuckte Lukas desinteressiert mit den Schultern. » Vergiss es. All das gibt es nicht mehr für dich.«
    Gleich würde Maya sich mit letzter Kraft auf diesen gefühllosen Teddy stürzen und ihn so lange mit dem Klappmesser bearbeiten, bis die Füllung aus seinem flachgedrückten Bauch flog. Wenn er nur nicht diese freundlichen schwarzen Knopfaugen gehabt hätte! Irgendwie schien er sie fröhlich lächelnd zu beschwören. » Denk daran, was dein Vater gesagt hat: Sie fesseln Mädchen und sperren sie in Hochsitze. Und besonders so hübsche wie dich.«
    » Als könntest du das beurteilen!«
    » Wieso nicht? Ich bin ein männlicher Teddy. Du hast tiefgründige, leuchtendgrüne Augen, eine niedliche Nase, volle Lippen und schöne Zähne.«
    » Momentan nicht.« Maya klappte das Klappmesser auf und hielt sich die spiegelnde Klinge vor den geöffneten Mund und schaute hinein. Mit ihrer angeschwollenen Wange sah sie furchterregend aus. » Wenn es so weiter geht, fault mir mein ganzer Kiefer weg.«
    Darauf wusste Lukas nichts mehr zu sagen. Er starrte nur weiter freundlich vor sich hin.
    Maya klappte das Messer wieder ein. » Na gut, dann wollen wir mal.«
    Entschlossen hielt sie sich mit zitternder Faust den metallenen Knauf an den oberen Backenzahn. Mit der anderen griff sie fest um den Stein und schlug, ohne weiter darüber nachzudenken, mit voller Wucht gegen das Klappmesser.
    Es knirschte.
    Maya schmeckte Blut. Der Schmerz nahm ihr die Sinne. Am liebsten hätte sie sich das Messer gleich noch ins Herz gerammt. So weh tat es. Als der Schmerz endlich etwas abgeebbt war, tastete sie vorsichtig mit ihrer Zunge nach dem Backenzahn. Mit einem Batzen blutiger Spucke plumpste er aus dem offenen Mund in den Schoß. Triumphierend nahm Maya den Übeltäter hoch und hielt ihn in das flackernde Licht der Fackel. Bevor die Erleichterung sich jedoch in ihr breitmachte, holte Maya das Entsetzen ein: Sie hielt nur das Oberteil zwischen Daumen und Zeigefinger. Die entzündeten Wurzeln steckten noch immer in ihrem Kiefer.

10 . LOUIS
    Im Morgengrauen stand Louis auf der Straße vor Michelles Haus und schleuderte kleine Steinchen gegen ihre Fensterscheibe. Endlich öffnete sich im zweiten Stock das Fenster und Michelle beugte sich mit wirrem Haar raus in die kalte Morgendämmerung. » Lou? Bist du das? Es ist sechs Uhr morgens.«
    » Lass mich rein.«
    Sie flüsterte: » Entschuldige, dass ich dich gestern nicht mehr angerufen habe. Ich bin aus Versehen eingeschlafen und…«
    » Ist Leonie wieder aufgetaucht?« Louis hatte keine Lust, sich Michelles seltsame Ausflüchte anzuhören. Er war ihr Freund. Sie sollte ihm einfach sagen, was los war, damit er ihr endlich helfen konnte. Es ergab keinen Sinn, dass sie sich ihm entzog.
    Michelle schüttelte den Kopf. » Lou, ich…«
    » Bitte lass mich rein.«
    Seine Freundin beugte sich noch etwas weiter aus dem Fenster. » Komm hinters Haus, zum Schuppen. Sonst weckst du noch meine Eltern auf.«
    Michelle schloss behutsam das Fenster, und Louis kletterte über die Mülltonnen, klemmte sich zwischen den eng aneinander stehenden Fachwerkhäusern hindurch und stand wenig später im herbstlichen Garten von Michelles Elternhaus. Drei orangerot gefärbte Apfelbäume raschelten im bläulichen Morgenschimmer. Die angelehnte Tür vom verwitterten Bretterschuppen hing schief in den Angeln.
    Louis trat ein. Michelle hockte schon mit angezogenen Knien auf einem Stapel Sitzkissen, die im Sommer auf den Liegestühlen lagen. Sie klopfte neben sich auf die weißgrün gestreiften Polster. Ihre Stimme war kaum zu hören, als sie sagte: » Setz dich.«
    Louis zog die knarrende Tür hinter sich zu. Das schale Licht des anbrechenden Tages zwängte sich durch die Bretterzwischenräume und zeichnete matte Linien in den engen Raum. Aufgewühlte Staubpartikel tanzten darin. Louis rutschte dicht neben seine Freundin. » Ist Leonie… Ich meine, ist sie immer noch nicht…?«
    » Nein.« Michelle starrte Louis seltsam an, als würde
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