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Der Atem der Angst (German Edition)

Der Atem der Angst (German Edition)

Titel: Der Atem der Angst (German Edition)
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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versöhnlich.
    » Sicher. Hier geht kein kleines Mädchen mit Fremden mit. Und wenn der ihnen niedliche Katzenjungen und rosa Sahnetörtchen verspricht.«
    » Das heißt, Leonie muss mit jemandem mitgegangen sein, den sie kannte, oder sie wurde mit Gewalt aus der Halle geholt. Die Vordertür war nicht abgeschlossen. Da ist es ein Leichtes, sich so ein Mädchen zu schnappen. Mund zuhalten und…«
    Henner trippelte nervös mit den Fingerspitzen auf seinen Knien herum. » Weißt du was? Ich will das nicht hören!«
    » Ich versuche nur, die Sache professionell anzugehen.«
    » Professionell? Ich habe das Gefühl, neben mir sitzt ein Zombie. Du redest, als würde es sich um irgendwas Belangloses handeln.«
    » Bitte?«
    » In unserer Stadt sind wir ziemlich dünnhäutig, was diese Geschichte anbelangt. Da muss man sich mit Fingerspitzengefühl herantasten. Sonst blockieren die Leute. Wenn uns ein kleines Mädchen verloren geht, dann erwacht hier ein alter Schmerz, den wir bis heute nicht überwunden haben.«
    » Alles klar.«
    » St. Golden lebt immer in der Angst, dass das Grauen von damals wieder losgehen könnte. Und wenn das passiert, dann traut niemand mehr niemandem, solange der Täter nicht gefasst ist. Den Mädchen wird hier quasi von Geburt an eingebläut, sich am besten gar nicht mehr im Dunkeln draußen herumzutreiben.«
    » Alles klar, verstanden. Warum haben Jens und Sarah nichts davon erwähnt?«
    » Keine Ahnung!«
    Heidi beugte sich weit über das Lenkrad und starrte nach draußen ins Dunkle. » Können wir uns trotzdem darauf einigen, dass wir diese Angelegenheit professionell anpacken und unsere Gefühle weitestgehend draußen lassen? Darin besteht die Arbeit eines Profis: cool bleiben, damit einem nichts entgeht. Uns zum jetzigen Zeitpunkt in Panik zu versetzen, bringt gar nichts. Alles klar? Wir müssen aufs Schlimmste gefasst sein und es schaffen, die Nerven zu behalten. Und aus Erfahrung kann ich dir sagen: Das ist nicht leicht.«
    » Ich weiß.« Henners Stimme klang rau. » Ich war damals in dem Suchtrupp, der die Kleine gefunden hat.«
    » Na dann wissen wir ja beide, wovon wir reden.« Heidi blinkte und fuhr die Hauptstraße hinauf, am düsteren Bau des Gymnasiums und der Bushaltestelle vorbei, bis sie vor dem mintfarbenen Turnhallengebäude hielt, vor dem bereits zwei Streifenwagen und der Übertragungswagen des örtlichen Fernsehsenders standen. Hinter den Oberlichtern der Turnhalle funzelte schales Licht. Vor dem Eingang warteten ein Kameramann mit Scheinwerfer und dieser aufdringliche Reporter, dessen Namen Heidi vergessen hatte. Heidi klickte das Warnblinklicht an. » Was will der denn hier?«
    » Schätze, Material für seine Nachrichten.« Henner zog die Handbremse an, da der Wagen langsam rückwärts die abschüssige Straße hinunterrollte. » Denkst du, der Täter von damals hat wieder zugeschlagen?«
    » Wer weiß. Schon möglich.« Heidi ließ ihren Sicherheitsgurt zurückschnalzen. Henner setzte sich seine Kapuze wieder auf. Seine Stimme zitterte. » Ich sage dir, damals, als ich das Mädchen tot und gefesselt im hohen Gras gefunden habe, da habe ich einen Schlag wegbekommen. Einen richtigen Schlag. Ich dachte, ich lasse meine beiden Töchter nie wieder raus auf die Straße.«
    Heidi seufzte. » Okay. Versuch, dich zu beruhigen. Klar? Das bringt uns nicht weiter. Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren.«
    » Ihr Stadtbullen macht wohl immer auf cool, was?«
    » Versteh es endlich: Das ist einfach professionell. Ich kann mir diese Gefühlsduselei nicht leisten. Und du auch nicht!«
    Heidi schaute über das Lenkrad zur Turnhalle, in die sie jetzt gleich gehen würden. Bis heute hatten darin Kinder trainiert. Nun würde sie in den Akten als der Ort auftauchen, an dem ein kleines Mädchen zuletzt gesehen worden war. Wie schnell sich die Dinge ändern konnten. Und die Presse wartete schon vor dem Eingang. Es war alles so unwirklich.
    » Niemand gibt diesem Fernsehfuzzi Informationen, alles klar?«
    » Er heißt Robert.«
    » Wie auch immer. Ich mag ihn nicht. Er hat mich neulich im Spielzeugladen so seltsam angesprochen und sich total daneben benommen. Hält sich wohl für einen richtigen Frauenversteher…«
    » Er ist ganz in Ordnung. Er macht auch nur seine Arbeit.«
    Heidi stieß die Fahrertür auf, stieg aus und rutschte zum zweiten Mal an diesem Abend im Schneematsch aus. » Verdammt!«
    Henner kam um den Wagen herum und blieb neben ihr stehen. Ohne eine Miene zu verziehen,
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