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Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt
Autoren: Jonas Winner
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gemacht hast«, war Hellwig fortgefahren. »Daumen hoch, Daumen runter, oder so … nein, das liegt mir fern. Nur …« Hellwig hatte den Satz nicht zu Ende gebracht.
    »Nur – was?«, hatte Ben nachgehakt.
    Hellwigs Handy hatte geklingelt.
    »Entschuldige …« Er hatte Ben einen Blick zugeworfen, das Gespräch angenommen. »Ja? Ja, wart mal kurz.« Er hatte die Sprechmuschel seines Telefons zugehalten und Ben angeschaut. »Weißt du, das ist grad ein wichtiges Gespräch hier.«
    »Klar.« Ben hatte mit der Schulter gezuckt. »Kein Problem, ich warte.«
    »Hier?«
    Sollte er jetzt etwa aus dem Zimmer gehen?
    »Sorry, Ben, aber …«
    Ben war regelrecht rot geworden.
    »Danke, ich ruf dich, wenn ich fertig bin.« Hellwig hatte gelächelt.
    Ben war nichts anderes übriggeblieben. Er war aufgestanden und zur Tür gegangen.
    »Ist schon okay, es ist Ben Lindenberger«, hatte er hinter sich Hellwig wieder ins Telefon sprechen hören – dann war er aus dem Büro gewesen.
     
    »Weiter im Prozess gegen einen 49 -Jährigen, der drei Menschen erschlagen haben soll.«
    Ben starrte auf den Bildschirm.
     
    Fast eine Stunde lang hatte er vor Hellwigs Büro gewartet. Als die Tür endlich wieder aufging, hatte Hellwig bereits seine Jacke angehabt.
    »Zwei Wochen«, hatte er gesagt, als Ben aufgestanden war. »Ist das in Ordnung für dich?«
    Es hatte Ben glatt die Sprache verschlagen.
    »Wirklich, Ben, ich habe das Gefühl, als hätte das jetzt einfach keinen Sinn, wenn wir dein Skript Wort für Wort durchgehen. Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte.«
    Was ist denn das Problem, hatte es in Ben geschrien, was gefällt dir denn nicht? Aber vor lauter Verblüffung hatte er den Mund nicht aufbekommen.
    »Ich muss leider los.« Hellwig hatte die Augenbrauen zusammengezogen. »Ich würde vorschlagen, du schreibst eine neue Fassung bis Mittwoch in zwei Wochen. Eine Fassung, die einfach …
knallt,
oder? So wie die anderen Bücher auch, die du für mich geschrieben hast!« Er war fast schon an Ben vorbei gewesen, als er sich noch einmal umgedreht hatte. »Ach ja, der Banküberfall am Anfang? Der funktioniert ziemlich gut, finde ich. Aber als die Hauptfigur dann … wie heißt er noch? … als der seine Freundin erschlägt, da komm ich beim besten Willen nicht mehr mit.« Hellwig hatte einen Blick auf seine Uhr geworfen. »Ich meine, so ein Totschläger – weißt du, was das für Typen sind?« Sein Gesicht hatte sich verzogen. »Die ticken anders als du und ich, oder?« Er hatte gelacht. »Aber wie genau, das kann ich dir auch nicht sagen. Das musst du schon selbst herauskriegen. Hauptsache, die Figur in dem Buch ist nachher glaubwürdig.«
     
    »Weiter im Prozess gegen einen 49 -Jährigen, der drei Menschen erschlagen haben soll.«
    Es kam Ben so vor, als würde er regelrecht aus seinem Schreibtischstuhl gerissen, als die Worte endlich einrasteten. Er hatte in seinem Computer »Totschläger« gegoogelt und war dabei auf den Gerichtstermin gestoßen.
    »Dienstag, 28 . April, 9  Uhr, Saal 621 .«
    In zehn Minuten.
    Hellwig gefiel sein Totschläger nicht? Dann würde er sich jetzt mal einen echten ansehen!

6
    Als Ben knapp dreißig Minuten später die Eingangshalle des Kriminalgerichts Moabit betrat, hatte sich eine Schlange vor der Personenkontrolle gebildet.
    »Ja?«
    Der Justizwachtmeister musterte ihn skeptisch, als Ben schließlich an der Reihe war.
    »Ich wollte mir mal einen Prozess ansehen.« Ben verengte die Augen zu Schlitzen.
    »An was Bestimmtes gedacht?«
    »Saal 621 .«
    Der Beamte nickte, die Ampel sprang auf Grün. Ben machte einen Schritt nach vorn, die Sperre gab nach. Er wurde durchgewinkt.
    Ein paar Stufen ging es aufwärts, dann kam die nächste Schranke. Eine blonde Polizistin ließ sich seine Tasche aushändigen, machte sie auf und zog mit behandschuhten Fingern seinen Schreibblock daraus hervor.
    Es war alles in Ordnung. Ben passierte den Metalldetektor und marschierte auf die dahinterliegende Haupttreppe zu, die geradewegs aus einem Märchenschloss gefallen zu sein schien.
    Raum 621 . Ein Schild wies ihm den Weg. Es führte Ben die Treppe hinauf in einen Gang, der in den rechten Flügel des Gebäudes abzweigte.
    Groteske Fabelwesen kauerten auf Säulenkapitellen und stierten mit Glupschaugen auf ihn herab. Farbige Fenster wechselten sich mit verschlungenen Steinmustern ab. Das Kriminalgericht Moabit, ein grotesker und zugleich kolossaler Bau, an dem er schon oft vorbeigefahren war, ohne ihn
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