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Der amerikanische Patient

Der amerikanische Patient

Titel: Der amerikanische Patient
Autoren: Braml Josef
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jeher eine wichtige Rolle. Weshalb sollen die USA blühende Landschaften im Irak und in Afghanistan errichten, wenn doch auch zu Hause die Infrastruktur marode ist und Straßen, Elektrizitätsnetze etc. dringend saniert werden müssten?, fragen sich immer mehr amerikanische Wähler, die sich im Zuge der wirtschaftlichen Krise auch mit Kaufkraftschwund und Arbeitsplatzunsicherheit konfrontiert sehen. Darüber hinaus müssten das Bildungs-, Gesundheits- und Rentensystem mit Milliardenbeträgen reformiert werden, die bei der desolaten Haushaltslage aber nicht aufgebracht werden können.
    Der innenpolitische Druck in den USA wird eine kontroverse transatlantische Lastenteilungsdebatte auslösen und den europäischen Alliierten Gelegenheit geben, ihr »effektives« multilaterales Engagement unter Beweis zu stellen. Wenn die Europäer schon nicht fähig und willens sind, die USA mit umfangreicheren Truppenkontingenten zu unterstützen, wenn sie sich also in der Sicherheitspolitik aufs Trittbrettfahren verlegen, so der Vorwurf Washingtons, dann sollten sie einen umso größeren finanziellen Beitrag zum langfristigen Wiederaufbau im Irak, in Afghanistan und in Libyen leisten. Auch die nächste amerikanische Regierung wird daran arbeiten, aus George W. Bushs viel gescholtener »Koalition der Willigen« eine »Koalition der Zahlungswilligen« zu schmieden.

    Es wird für die Alliierten nicht leicht werden, der westlichen Führungsmacht zu folgen. Sollten sie nicht bereit sein, diese Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, wird Washington seine außenpolitischen Ziele auf anderen Wegen durchsetzen, wenn nötig im Alleingang oder eben mit einer Koalitionen der Willigen. 2 Am – wenn es sein muss auch unilateralen – Einsatz militärischer Gewalt im Kampf gegen den Terrorismus ist aus amerikanischer Sicht nicht zu rütteln. Selbst nach dem militärischen Fiasko im Irak und den Schwierigkeiten in Afghanistan sind die Amerikaner weit mehr als die Europäer geneigt, militärische Lösungen zu befürworten. In einer vom German Marshall Fund in Auftrag gegebenen Umfrage 3 bekundeten drei Viertel der Amerikaner, »dass Krieg manchmal nötig sei, um Gerechtigkeit zu erwirken«. In Europa dagegen befürwortet nur ein Drittel der Bevölkerungen einen so genannten gerechten Krieg. Lediglich die Briten heißen ihn zu zwei Dritteln gut. Die Deutschen liegen mit 28 Prozent sogar noch merklich unter dem europäischen Durchschnitt.
    Bereits der Präsidentschaftskandidat Obama machte kein Hehl daraus, dass er im Notfall auch ohne Billigung Islamabads und der internationalen Staatengemeinschaft auf dem souveränen Staatsgebiet Pakistans militärische Gewalt gegen Terroristen einsetzen werde. Als Präsident hat Obama den Einsatz von Raketenangriffen unbemannter Drohnen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet forciert und auf Somalia und Jemen ausgeweitet, zum Teil mit Erfolg, denn es gelang, wichtige Anführer von al-Qaida gezielt zu töten. Washington riskiert damit, die Bevölkerungen dieser Länder gegen sich aufzubringen, Terrorgruppen die Rekrutierung zu erleichtern und diplomatischen Kollateralschaden zu verursachen. Am Ende könnte es mit diesem Vorgehen gerade jene Alliierten verprellen, mit denen es die Last der globalen Verantwortung teilen möchte, so die eindringliche Warnung eines langjährigen Sicherheitsberaters des amerikanischen Außenministeriums. 4
    Neben den sicherheitspolitischen wirken sich die wirtschaftlichen Probleme der »Neuen Welt« auf alle anderen aus. Gerade die
exportabhängige Bundesrepublik Deutschland leidet darunter, wenn Wirtschaft und Kaufkraft in den USA einbrechen. Sollte mittel- bis langfristig der Wert des Dollars merklich sinken und der Euro entsprechend stärker werden, verteuern sich die europäischen Produkte auch noch. Deutsche Unternehmer stellen sich bereits auf diesen Wettbewerbsnachteil ein, indem sie Teile ihrer Produktion in die USA verlagern. Für solche Standortverlegungen gibt es noch einen weiteren Grund: Mit der Wirtschaftskrise und dem härter werdenden globalen Wettbewerb droht in den USA der Verlust von noch mehr Arbeitsplätzen. Im Wahljahr 2012 wird daher der Druck auf Abgeordnete und Senatoren im US-Kongress steigen, protektionistische Maßnahmen zu ergreifen. Die von einheimischen Wettbewerbern großzügig zu ihren Gunsten auslegbaren Buy-American- Bestimmungen im amerikanischen Konjunkturpaket sind ein deutliches Signal. Die durch die Wirtschaftsprobleme verunsicherte
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