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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane
Autoren: Frederick Forsyth
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Korans und ihre subtile Bedeutungsvielfalt ist von besonderer Qualität, und sie wurde vor vierzehnhundert Jahren niedergeschrieben. Ich glaube, wir sollten die Korankommission einen Blick darauf werfen lassen.«
    Der General nickte. »Okay, Professor, wie Sie wollen.« Er sah den Abteilungsleiter an. »Trommeln Sie unsere Koranexperten zusammen. Fliegen Sie sie ein. Keine Verzögerungen, keine Entschuldigungen.«
     

ZWEI
    Die Korankommission bestand aus vier Männern, drei amerikanischen und einem britischen Akademiker. Alle waren Professoren, keiner war Araber, aber sie alle hatten ihr Leben mit dem Studium des Korans und der vielen tausend gelehrten Kommentare dazu verbracht.
    Einer arbeitete an der Columbia University in New York, und auf Befehl von Fort Meade wurde ein Militärhubschrauber entsandt, der ihn zur NSA bringen sollte. Zwei waren in Washington, D. C, der eine bei der Rand Corporation, der andere bei der Brookings Institution, und sie wurden von Dienstwagen der US-Army abgeholt.
    Der vierte und jüngste war Dr. Terry Martin von der School of Oriental and African Studies in London, zurzeit Gastdozent an der Georgetown University in Washington, D. C. Die SOAS gehört zur London University, und ihre Arabistik-Abteilung genießt weltweit großes Ansehen.
    Was die Kenntnis alles Arabischen anging, hatte der Engländer den anderen etwas voraus. Er war als Sohn eines Buchhalters bei einer großen Ölfirma im Irak geboren und aufgewachsen, und sein Vater hatte ihn mit Bedacht nicht auf die angloamerikanische Schule geschickt, sondern auf ein privates Institut, das die Söhne der gesellschaftlichen Elite des Irak ausbildete. Mit zehn Jahren konnte Terry unter seinen Mitschülern als arabischer Junge durchgehen, zumindest in sprachlicher Hinsicht. Nur mit seinem rosigen Gesicht und seinem buschigen rötlich blonden Haar konnte man ihn niemals vollends für einen Araber halten.
    1965 geboren, war er elf Jahre alt, als Mr. Martin Senior beschloss, den Irak zu verlassen und ins sichere Großbritannien zurückzukehren. Die Baath-Partei war wieder an der Macht, doch die eigentliche Macht hatte nicht Präsident Bakr, sondern der Vizepräsident, der einen skrupellosen Vernichtungsfeldzug gegen seine politischen Feinde führte, gegen reale wie gegen eingebildete.
    Seit den milden fünfziger Jahren und der Regierungszeit König Feisals hatten die Martins bereits turbulente Zeiten hinter sich. Sie hatten das Massaker an dem jungen König und seinem prowestlichen Ministerpräsidenten Nuri Said erlebt, den gleichermaßen blutrünstigen Mord an seinem Nachfolger General Kassem vor laufender Kamera im Fernsehstudio und das erste Auftreten der brutalen Baath-Partei, die ihrerseits gestürzt worden und 1968 wieder an die Macht gelangt war. Sieben Jahre lang sah Martin senior zu, wie der psychopathische Vizepräsident Saddam Hussein immer mächtiger wurde, und 1975 kam Martin zu dem Schluss, dass es Zeit war, das Land zu verlassen.
    Sein älterer Sohn Mike war dreizehn und alt genug für ein britisches Internat. Martin senior bekam einen guten Posten bei Burmah Oil in London – ein gewisser Denis Thatcher, dessen Frau soeben die Vorsitzende der Konservativen Partei geworden war, hatte ein freundliches Wort für ihn eingelegt. So waren alle vier, der Vater, Mrs. Martin und die Söhne Mike und Terry, zum Weihnachtsfest wieder in Großbritannien.
    Terrys brillanter Verstand war bereits aufgefallen. Er glitt durch Prüfungen, die für zwei oder drei Jahre ältere Jungen gedacht waren, wie ein heißes Messer durch ein Stück Butter. Man ging – wie sich zeigte, beinahe zu Recht – davon aus, dass er mit einer Serie von Stipendien durch die Oberschule und dann nach Oxford oder Cambridge kommen würde. Aber er wollte seine arabischen Studien weiter betreiben. Noch als Schüler bewarb er sich bei der SOAS; im Frühjahr 1983 bestand er die Aufnahmeprüfung, und ab Herbst desselben Jahres studierte er die Geschichte des Nahen Ostens.
    Nach drei Jahren legte er mühelos ein erstklassiges Examen ab und verwandte drei weitere Jahre auf seine Promotion, bei der er sich auf den Koran und die ersten vier Kalifate spezialisierte. Danach nahm er ein Sabbatjahr, um seine Koranstudien am berühmten al-Azhar-Institut in Kairo fortzusetzen, und bei seiner Rückkehr bot man ihm im jugendlichen Alter von fünfundzwanzig Jahren eine Dozentur an – eine beachtliche Ehre, denn in allen Fragen des Arabischen ist die SOAS eine der strengsten Schulen
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