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Der 7. Tag (German Edition)

Der 7. Tag (German Edition)

Titel: Der 7. Tag (German Edition)
Autoren: Nika Lubitsch
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folgen Gregor in ein Zimmer, das fast ganz von einem
Eisenbett eingenommen war. Darüber hängt ein Mückenschutzvorhang, der jedoch
zur Seite geschoben ist. In dem Zimmer riecht es modrig. Pipo war uns gefolgt
und setzt sich jetzt abwartend neben das Bett seines Herrn. Der alte Mann liegt
an einen Stapel Kissen gelehnt und der Tod spricht zu uns aus seinen Augen. Sie
sind fast farblos, diese Augen.
    „Setzen Sie sich“, bellt der alte Herr uns auf
Englisch an. Wir setzen uns brav auf zwei wacklige Bambusstühle und warten.
Gregor nimmt auf der anderen Seite des Bettes Platz und reicht seinem Freund
ein Glas Tee. Oder ist es Rum?
    „Gregor hat mir berichtet, wer Sie sind“, sagt er
mit zittriger Stimme. „Nun, wie Sie sehen, ich hab‘ nichts mehr zu verlieren.
Michael war ein Freund. Leider naiv. Hatte keine Ahnung, wie die Welt läuft.
Vertrauensselig. Du bist ein vertrauensseliger Idiot, habe ich gesagt. Aber ich
bin ein sentimentaler alter Mann geworden. Hilfssyndrom oder so. Also bin ich
nach Berlin geflogen, auf meine alten Tage. Und habe diesen Partner von ihm,
Ullrich Henke, unter die Lupe genommen.“
    Peter bekommt einen fürchterlichen Hustenanfall.
Gregor kommt seinem Freund zu Hilfe.
    „Es hat Peter auf seine alten Tage gereizt, noch mal
zu zeigen, was er kann. Also hat er fachmännisch Haus und Büro des Herrn Henke
auseinandergenommen. Inklusive Safes. So was ist für Peter ein Kinderspiel.
Jedes Stück Papier, das ihm in die Hände kam, hat er auf Microfilm aufgenommen.
Das Ergebnis sehen Sie vor sich.“ Gregor übergibt uns einen Stapel Papiere.
    „Wir haben dann gemeinsam wochenlang diese Papiere
gesichtet“, flüstert Peter. „Michael war wirklich viel zu naiv. Konnte nicht
zwei und zwei zusammenzählen. Er war ein netter kleiner deutscher Anwalt ohne
Fantasie. Betrug und Mord, das konnte er sich vorstellen. Aber international
tätige Banden, Mafia oder wie immer sie das nennen wollen, gingen über seinen
Horizont. Dabei war die Geschichte ganz einfach.“ Der alte Mann hustet sich
wieder die halbe Lunge aus dem Leib. 
    „Um es kurz zu machen“, fährt er mühsam fort, „den
Beweis finden Sie in den Papieren.
    Der saubere Ullrich Henke hat Geld gewaschen. Und
zwar im ganz großen Stil.
    Er hielt offiziell 25 Prozent einer Immobilienfirma.
Weitere 25 Prozent hielt der Schwiegersohn seiner Anwaltsgehilfin, der die
Gesellschaft als Geschäftsführer führte. Die restlichen 50 Prozent der Anteile
wurden von zwei GmbHs gehalten, deren Geschäftsführer wiederum Ullrich Henke
war. Das Kapital dieser GmbHs verwaltete er allerdings nur als Treuhänder, die
stillen Teilhaber kamen aus international bekannten Mafiakreisen. Henke hatte
bei der Verteidigung eines kleinen, regionalen Mafiafürsten Dinge erfahren, die
ihn normalerweise das Leben gekostet hätten. Die ehrenwerten Herren haben ihm
das Leben geschenkt und ihr Geld von ihm investieren lassen. Ganz einfach, ganz
sauber und im Übrigen legal. Die notariellen Beglaubigungen der stillen
Teilhaberschaft lagen fein säuberlich gestapelt in seinem Safe. Und das
Geständnis des kleinen Mafiabosses, den er zu seinem Pech einmal verteidigt
hat. Außerdem haben wir mehrere falsche Pässe gefunden, mit denen sich der
feine Herr Rechtsanwalt ausgestattet hatte. Ich vermute, mit diesen Pässen hat
er überall Konten eröffnet. Das Geld von Michaels Mandanten war auf diese Konten
transferiert und dann in bar abgehoben worden. Ganz einfach, wenn man einen
Idioten im Büro hat, der Blanko-Überweisungen unterschreibt.“
    „Aber wozu brauchte er denn dann so viel Geld, er
wird von der Mafia doch sicherlich gut bezahlt worden sein“, fragen wir den
zunehmend erschöpft aussehenden kranken Mann.
    „Sehr intelligente Frage. Die hat Michael auch
gestellt. Die Mafia zahlt gut. Wenn Henke also dringend Geld brauchte, dann gab
es dafür nur einen möglichen Grund: Das Geld, das er für seine Mafiafreunde
investiert hatte, war ihm irgendwie abhandengekommen. Also musste er es
ersetzen, wenn ihm sein Leben lieb war. Dafür hat er sogar seinen besten Freund
ruiniert und hätte ihn beseitigt, wenn nicht dieser Idiot von Killer ihn hätte
entwischen lassen. Von diesem Killer hatte er übrigens, wahrscheinlich zu
seiner Sicherheit, ebenfalls ein Foto mit Namen in seinem Safe. Michael hat das
Foto identifiziert. Sie finden alles in den Papieren, lassen sie mich jetzt
schlafen.“
    Wir bleiben über Nacht in dem Haus des alten Mannes.
Bei Sonnenaufgang besteigen
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